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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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zu halten. Es war Coll. Beim Anblick der Klinge wich er erschrocken zurück.
    »Was habt ihr zwei hier zu suchen?«, wollte Dylan wissen.
    Keiner gab ihm Antwort. Dylan verstärkte seinen Griff um Artairs Hals, woraufhin dieser krächzte: »Lass mich doch los, du elender Hund!« und sich wild hin- und herwand.
    »Was tut ihr hier? Raus mit der Sprache, oder ich steche zu!«
    Coll knurrte: »Wir wollten uns nur mit eigenen Augen davon überzeugen, dass alles in Ordnung ist.«
    Dylan drehte sich zu ihm um, konnte aber sein Gesicht im Dunkeln nur unscharf erkennen. »Was sollte denn nicht in Ordnung sein?«
    »Wir wollten nur sichergehen, dass unser glattzüngiger Vetter aus den Kolonien nicht versucht, Vorteile aus seiner neuen Position zu ziehen.«
    »Was soll denn das heißen?« Dylan lockerte seinen Griff ein wenig, er wollte Artair ja nicht umbringen.
    »Na, was wohl?«, keuchte Artair, sobald er wieder Luft bekam. Er betastete seinen schmerzenden Hals, versuchte, Dylans Hand abzuschütteln, und knirschte wütend mit den Zähnen, als ihm das nicht gelang. »Sei froh, dass wir dich nicht bei einem Schäferstündchen mit ihr ertappt haben.«
    Dylan blinzelte verwirrt, als er das altmodische Wort hörte, begriff aber dessen Bedeutung nur zu gut und stieß Artair erneut mit dem Kopf gegen die Wand. Caits jüngster Onkel stöhnte auf. »Nimm das sofort zurück«, verlangte Dylan. »Sie gehört nicht zu dieser Sorte Frau, das weißt du genau. Iain Mór würde dir den Hals umdrehen, wenn er wüsste, wie du von seiner Tochter sprichst.«
    »Und du wirst natürlich sofort zu ihm rennen und ihm alles brühwarm erzählen«, grollte Artair.
    »Nein, ich bringe dich lieber eigenhändig um, wenn ich eine solche Bemerkung noch einmal höre. Und jetzt raus hier.« Er riss Artair an seinem Hemd zurück und gab ihm einen Stoß, sodass er gegen Coll prallte. »Verschwindet, alle beide. Lasst Cait in Ruhe, oder ich muss mich ernsthaft fragen, welche Absichten ihr in Bezug auf eure Nichte hegt.«
    Die beiden Männer trotteten mürrisch zu ihren Kammern zurück, aber Dylan wusste, dass er sich zwei unversöhnliche Feinde geschaffen hatte.
    Er setzte sich auf seine Pritsche und dachte nach. Artair und Coll ahnten, dass etwas nicht stimmte, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Wahrheit ans Licht kommen würde. Tormod war gewarnt worden, kein Wort über den Ring zu verlieren, und hatte vermutlich ohnehin keine Ahnung, für wen das Schmuckstück bestimmt gewesen war, aber irgendjemand hatte hier eins und eins zusammengezählt. Artair und Coll hatten damit gerechnet, Dylan und Cait heute Abend in einer verfänglichen Situation vorzufinden. Und jetzt fragte Dylan sich, wie er die beiden von der einmal aufgenommenen Fährte wieder abbringen konnte. Wenn Iain zu früh und vor allem aus dem Mund der falschen Leute von der Verlobung erfuhr, könnte er Dylan durchaus die Erlaubnis verweigern, Cait zu heiraten. Er musste jetzt rasch handeln, musste in Erfahrung bringen, wie man es anstellte, Land zu kaufen und einen Hof zu bewirtschaften, schließlich wollte er ein Heim für sich und Cait schaffen.
    Fortan ließ ihn der Gedanke an ein eigenes Gehöft nicht mehr los, und er nutzte jede Gelegenheit, um Malcolm darüber auszufragen. Dieser schien sich darüber zu amüsieren, dass der junge Mann aus den Kolonien so wenig über Ackerbau und Viehzucht wusste, gab aber bereitwillig Auskunft. Viele Abende verbrachten sie gemeinsam im Stall, wo sie auf wackeligen Schemeln hockten und die Köpfe zusammensteckten, während der Rest des Clans sich in der großen Halle versammelte.
    Manchmal stellte auch Malcolm Dylan einige Fragen. »Sag mir, Dylan, gibt es in den Kolonien auch Viehraub im großen Stil?«
    Dylan runzelte die Stirn, weil er nicht sofort begriff, was Malcolm meinte. Dann fiel ihm ein, dass es früher auch in Amerika eine Zeit lang gang und gäbe gewesen war, Rinder gleich herdenweise zu stehlen. »Manchmal«, sagte er. »Aber wenn die Diebe erwischt werden, hängt man sie auf.«
    Malcolm lachte. »Aye, hier enden sie auch am Galgen, aber nur, wenn sie von Leuten geschnappt werden, die in Edinburgh über großen Einfluss verfügen. Alle anderen betrachten es als eine Art Sport. Wir stehlen Vieh von den MacDonells, die MacDonells stehlen von uns, die MacLeods wieder von den MacDonells und wir von den MacLeods. Am Ende stehen wir alle ungefähr gleich da. Das ist weniger mühsam als das Eintreiben von Steuern, und wir können die

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