Vogelfrei
bis Dylan seine Stimme wiederfand. Schließlich fragte er: »Du hast also nie wieder geheiratet?«
Malcolm schüttelte den Kopf. »Ich hätte keine andere Frau mehr lieben können. Manche Männer sind so geschaffen, in ihrem Herzen gibt es nur Platz für eine einzige Frau.« Mit schief gelegtem Kopf blickte er Dylan forschend an. »Aber ich glaube, das weißt du selbst.«
Dylan zögerte mit der Antwort. Er war sich nicht sicher, wie viel Malcolm wusste oder vermutete. Doch dann nickte er. »O ja, das weiß ich.«
Nun, da Cait seinen Ring angenommen hatte, gab Sinann ihre Versuche auf, ihm die Heirat ausreden zu wollen. Stattdessen gab sie ihm Ratschläge, was er hinsichtlich eines eigenen Stück Landes unternehmen sollte. Sie sprachen jetzt ausschließlich Gälisch miteinander, da Dylan seine Sprachkenntnisse möglichst schnell verbessern wollte.
»Also hast du deine unsinnige Idee, unbedingt wieder nach Hause zu wollen, endlich aufgegeben?« Die Fee hockte auf dem Kopfteil seiner Pritsche. Dylan ließ sich rücklings auf die Strohmatratze fallen, legte die Füße auf sein Kopfkissen und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Es wurde gerade erst hell, Cait schlief noch, und er hatte beschlossen, auf sein morgendliches Training zu verzichten, um Sinann einige Fragen zu stellen.
Er steckte sich einen Weidenzweig in den Mund und warf ihr einen bitterbösen Blick zu. »Ich werde dir nie verzeihen, dass du mich hierher verschleppt hast. Ich gehöre nicht in diese Zeit und werde mich hier nie wohl fühlen. Aber ich liebe Cait, das ist das Einzige, was mich mit meinem Schicksal versöhnt. Ich werde versuchen, mit ihr glücklich zu werden.«
»Das heißt, dass du sie in Sicherheit wissen willst?«
»Natürlich.«
»Dann wirst du doch bestimmt alles tun, um die Sassunaich loszuwerden?«
Dylan schnaubte gereizt und beförderte den Zweig mit der Zunge in den anderen Mundwinkel. »Du weißt, dass ich das nicht kann. Königin Anne wird in wenigen Monaten sterben, und dann sind die Jakobiten Freiwild.«
»Freiwild?«
Dylan nahm den Zweig aus dem Mund und betrachtete ihn. »Nun, äh ... man wird verstärkt Jagd auf sie machen.« Er schob sich den Zweig wieder zwischen die Zähne.
»Ach so.«
Dylan fuhr fort: »Und deshalb muss ich Cait aus dem Haus ihres Vaters fortbringen, es ist dort zu gefährlich für sie.«
Sinann sprang erregt auf. Sie sah aus, als wolle sie ihm gleich die Augen auskratzen. »Du weißt also, was mit Iain Mór geschehen wird?«
Er schüttelte den Kopf. »Iains genaues Schicksal kenne ich nicht. Aber er ist ein Jakobit, und die Krone und der Staatsrat verdächtigen ihn bereits. Bis zum dauerhaften Frieden zwischen England und Schottland dauert es noch dreißig Jahre. Außerdem möchte ich kein Land von ihm pachten, sondern welches kaufen. Wenn ich am Leben bleiben will, darf ich keinerlei Verbindung zu irgendwelchen Jakobiten haben. Das ist der einzige Weg, Cait zu retten.«
»Feigling.«
»Nein, Realist.«
Sinann setzte sich wieder. »Du musst gegen die Engländer in den Krieg ziehen, wie der große Cuchulain, der gegen Menschen und Monster gekämpft hat und den sein Volk als Helden verehrte.«
»Cuchulain ist ein Mythos.«
»So wie ich?«
Seufzend beförderte Dylan den Zweig wieder in seinen Mundwinkel. »Wo du Recht hast, hast du Recht, Tink.«
»Du glaubst, du weißt alles, was es zu wissen gibt, nicht wahr, mein Freund? Du glaubst, deine Bibel liefert dir alle Antworten. Willst du deshalb nichts von der Magie wissen?«
Dylan schwieg einen Moment und unterdrückte seinen aufkeimenden Ärger. Dann fragte er: »Warum bist du eigentlich so wild entschlossen, mir diesen Kram beizubringen?«
»Weil du die Magie gegen die Engländer einsetzen kannst. Und gegen Bedford. Nur so kannst du sie besiegen.«
»Wieso bist du denn so sicher, dass ich überhaupt fähig bin, etwas darüber zu lernen? Ich habe nämlich keine magischen Kräfte, falls du das noch nicht gemerkt haben solltest.«
»O doch, die hast du, du weißt es nur nicht. In allen Dingen stecken gewisse Kräfte, in jedem Stein, jeder Pflanze, jedem Tier. Und in jedem Menschen.« Ihr Tonfall ließ ihn aufhorchen. Sie war weder sarkastisch noch verärgert, und das machte ihn stutzig, weil es so selten vorkam. Sie dachte einen Augenblick nach, dann sagte sie: »Verrate mir eins, mein Freund - glaubst du an Wunder?«
Das war eine heikle Frage. Dylan nahm den Zweig aus dem Mund und betrachtete ihn nachdenklich, dann erwi- derte er:
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