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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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herausstellte, MacLeods aus dem Süden von Glen Ciorram waren. Sie waren zu zehnt; ihr Anführer, ein hoch gewachsener, wortkarger Mann, wurde Donnchadh an Sealgair genannt, Duncan der Jäger. Alle MacLeods waren auffallend blass und hatten grüne oder braune Augen. Ihre Plaids wiesen die verschiedensten Farben, hauptsächlich jedoch ein leuchtendes Grün auf. Dylan, der inzwischen mehrere Monate in diesem Jahrhundert verbracht hatte, wusste, dass die Farben eines Tartans weniger mit der Clanzugehörigkeit des Trägers als viel mehr mit dem Geschmack der Frau, die ihn gewebt hatte, zusammenhing. Ähnliche Muster bedeuteten demnach wenig mehr als ähnliche Farbvorlieben der Weberinnen.
    Malcolm und Dylan setzten sich zu der Gruppe; eine Zeit lang kam es Dylan so vor, als wäre er nur dazugebeten worden, um den neuesten Klatsch zu hören, doch er ahnte, dass es einen triftigen Grund für seine Anwesenheit geben musste. Also lauschte er geduldig den Neuigkeiten über MacLeods, die Matheson-Mädchen geheiratet hatten, und über MacLeod-Frauen, die jetzt in Ciorram lebten. Die Besucher bekamen eine reichhaltige Mahlzeit vorgesetzt, danach diskutierte man über die augenblicklich herrschende Königin und über politische Fragen. Außerdem erfuhren die Mathesons von neuen Verhaftungen durch die Engländer, von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Viehdieben und von weiteren Übergriffen der Sassunaich auf schottisches Eigentum.
    Das Abendessen war schon lange vorüber, als endlich der wahre Grund für den Besuch der MacLeods zur Sprache kam. Sie und die Mathesons planten für den nächsten morgen einen creach, wie es schien. Dylan spitzte die Ohren, wusste er doch, dass er sich geehrt fühlen konnte, an diesem Unternehmen beteiligt zu werden. In bester alter Highlandtradition sollten einige Rinder des benachbarten Clans davongetrieben werden. Der Raubzug war dringend nötig, denn die Mathesons hatten in diesem Winter viele Tiere verloren. Iain erklärte: »Artair und Coll haben herausgefunden, dass die Weiden der MacDonells ein bisschen überfüllt sind. Sie werden uns sehr dankbar sein, wenn wir ihnen ein paar Tiere abnehmen.«
    »Aber was fangen wir mit einer Herde knochiger, abgemagerter Kühe an?«, warf Dylan ein.
    Malcolm grinste. »Wir treiben sie in das kleine Tal hinter dem See und lassen sie dort weiden, bis sie fett geworden sind, dann bringen wir sie nach Süden, nach Glenfinnan«, er nickte Donnchadh MacLeod zu, »und tauschen sie gegen die spreidhe ein, die die MacGregors von den Trossachs hochgebracht haben. Wir wollen ja nicht, dass die MacDonells ihre lieben Tierchen wieder erkennen, falls sie zufällig einmal vorbeikommen.«
    Dylan verzog spöttisch die Lippen. »Eine Art Kuhwäsche, eh?«
    Malcolm und die anderen brachen in schallendes Gelächter aus. »Du legst manchmal eine merkwürdige Wortwahl an den Tag!« Der ältere Mann schlug Dylan anerkennend auf den Rücken und wandte sich dann wieder den MacLeods zu. Bis spät in die Nacht hinein saßen die Männer beisammen und besprachen alle Einzelheiten des geplanten Raubzuges.
    Den nächsten Tag verschliefen sie zum größten Teil, und in der folgenden Nacht brachen die ausgewählten Viehdiebe, mit Schwertern und Dolchen bewaffnet, Richtung Nordosten auf. Dylan, Malcolm, Artair, Coll, Robin Innis, Marc Hewitt und vier weitere Mathesons wanderten schweigend neben den zehn MacLeods her. Dylans Sigurd und Iains weißer Collie Dileas begleiteten sie. Sie überquerten felsige Abhänge und schlugen Bogen um einige kleine Torfmoore; Malcolm hatte die Führung übernommen. Dylan passte genau auf, wo er hintrat, denn der Mond spendete nur schwaches Licht, und er war der Einzige, der die Gegend überhaupt nicht kannte. Vielleicht hing eines Tages sein Leben davon ab, dass er sich hier zurechtfand.
    Ein Lagerfeuer hätte sie verraten, also aßen sie nur kalten Haferbrei. Je näher sie dem Gebiet der MacDonells kamen, desto vorsichtiger wurden sie. Es regnete ohne Unterlass, und Dylan fror des Nachts in seinen nassen Sachen jämmerlich. Am Tag wickelten sie sich in ihre Plaids und schliefen auf dem Heidekraut, das die Feuchtigkeit des Bodens kaum milderte. Nach dem zweiten Tag kam Dylan zu der Erkenntnis, dass man überall und unter jeden Bedingungen schlafen konnte, wenn man nur erschöpft genug war.
    Am dritten Abend lagerten sie zwischen einigen Bäumen und warteten darauf, dass die Sonne unterging, ehe sie sich der ungefähr hundertköpfigen MacDonell-Herde

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