Vogelfrei
erwiderte ihre Küsse und presste sie an sich, bis sie leise zu stöhnen begann, sich von ihm löste, seine Hand nahm und ihn mit sich zog. »Komm. Hier entlang.« Sie sprang auf einen Stein, um den Fluss zu überqueren.
Doch Dylan zog sie in die entgegengesetzte Richtung. »Nein. Lieber hier entlang. Im Wald ist es ein bisschen zu voll.« Er wusste genau, wo er hinwollte, und sie folgte ihm, ohne zu zögern, hielt mit einer Hand ihre Röcke fest und umklammerte mit der anderen die seine. Zielstrebig führte er sie am Fluss entlang hügelaufwärts, half ihr über Felsbrocken und Wurzeln hinweg, bis sie das kleine Tal erreichten, wo die im Mondlicht silbrig schimmernde Turmruine stand.
Bei diesem Anblick wich Cait angsterfüllt zurück. »Nein. Das ist ein verwunschener Ort. Hier leben die Feen.« Ihre Stimme zitterte, und sie starrte mit weit aufgerissenen Augen zu dem alten Gemäuer hinüber.
»Ich weiß. Aber du brauchst dich nicht zu fürchten.« Er küsste sie und strich ihr beruhigend übers Haar. »Die Feen sind ganz umgängliche Zeitgenossen.« Er kicherte in sich hinein. »Meistens jedenfalls.«
Das brachte sie zum Lachen, und sie folgte ihm widerstandslos, hielt sich jedoch so eng hinter ihm, dass ihre Hüften sich berührten. Sie schien ihn als Schutzschild benutzen zu wollen, für den Fall, dass plötzlich eine Fee aus der Dunkelheit auftauchte und sich auf sie stürzte - was Dylan durchaus für möglich hielt, falls Sinann ihnen Ärger machen wollte. Er zog Cait durch die Lücke in der Mauer ins Innere des Turms, wo sie sich voll ehrfürchtigen Stau-nens umblickte. »Warst du noch nie hier?« Verstohlen spähte Dylan in alle Ecken und hoffte, Sinann würde wenigstens einmal etwas Taktgefühl beweisen und sich heute Abend nicht blicken lassen.
»Hier drinnen noch nie«, erwiderte sie leise. »Als Kind bin ich einmal auf den kleinen Hügel dort drüben gestiegen, habe mich unter den Bäumen versteckt und mir den Turm angeschaut. Aber näher habe ich mich nie herangewagt.« Wieder blickte sie sich forschend um, dann machte sie sich von Dylan los und betrachtete die Äste der Eiche, die durch das Fenster ragten. »Ich hatte immer viel zu große Angst vor den kleinen Leuten. Sie entführen dich in ihr Reich, wo eine Nacht so lang ist wie ein ganzes Leben, und wenn sie dich wieder gehen lassen, sind alle, die du einst gekannt hast, längst tot und zu Staub zerfallen. Ich könnte es nicht ertragen, meine Familie zu verlieren und die Zeit, die mir auf dieser Erde bestimmt ist, so zu vergeuden.«
Ihre Worte jagten ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Er hustete, damit sich der Kloß in seiner Kehle löste, trat hinter sie und schlang ihr die Arme um die Taille, dann presste er seine Lippen gegen ihren Nacken und murmelte: »Bei mir bist du in Sicherheit. Solange ich lebe, werde ich nicht zulassen, dass dir etwas geschieht, das schwöre ich.« Er legte seine Hände auf ihren Bauch und drückte sich an sich. Wenn er sie nur bis in alle Ewigkeit so halten und vor aller Welt beschützen könnte!
Sie drehte sich zu ihm um und strich sacht über seine Brust. »Ich weiß.« Dylan ließ seine Hände an ihrem Körper emporgleiten, immer höher, bis er schließlich vorsichtig ihre Brüste umschloss. Ein Lächeln spielte um seine Lippen. In diesem Jahrhundert kannte man noch keine Büstenhalter; sie trug nur ein wollenes Überkleid und darunter ein Leinenhemd. Cait seufzte leise, und er küsste sie wieder; kostete es aus, dass er zum ersten Mal vollkommen ungestört mit ihr allein war. Hier würden keine aufgebrachten Onkel herumschnüffeln, um sie in flagranti zu ertappen. Cait griff nach seiner Hand und zog ihn mit sich hinab aufs Gras; dann machte sie sich an seinem Gürtel zu schaffen.
Doch jetzt war er es, der zögerte. Zwar hämmerte sein Herz wie wild, aber er zwang sich zur Ruhe und versuchte, trotz all des Whiskys einen klaren Kopf zu bewahren. Sanft legte er eine Hand über die ihre. Er hatte lange genug unter den Mathesons gelebt, um die Bedeutung dieses Augenblicks zu begreifen. Sie bot ihm das Wertvollste an, was sie besaß; etwas, das - hatte sie es erst einmal verschenkt -unwiederbringlich verloren war. »Bist du ganz sicher?«, fragte er heiser und betete dabei inbrünstig Bitte sag ja. Das Verlangen nach ihr loderte schon seit Monaten in ihm, aber er war auch bereit, noch länger zu warten, wenn er dadurch verhindern konnte, dass sie ihren Entschluss bereute. Schließlich würden sie bald
Weitere Kostenlose Bücher