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Vogelstimmen - Bernemann, D: Vogelstimmen

Titel: Vogelstimmen - Bernemann, D: Vogelstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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linguistische Kettensäge, und wir stellten fest, dass Duette immer besser klangen als Duelle. Wir erfanden Songtexte irgendwo zwischen Blixa Bargeld, Helmut Kohl und Goethe; Baby Lambrusco war uns dabei ein gern gespürter Gedankenbeschleuniger und Verhaltensverwalter.
    Eines Abends saßen wir auf einer Wiese, die unweit des Ortsschildes unserer Kleinstadt gelegen war. Ich war sofort nach Feierabend auf mein Fahrrad gestiegen und zum Supermarkt geradelt, um mich mit Alkohol auszurüsten, Schmidt hatte wie so oft kein Geld, hatte dies schon im Vorfeld unseres Treffens angekündigt, und so kaufte ich Bier und Wein für zwei Personen. Es war ein Freitag, und wir hatten nach unserer Freilufttrinksession noch vor, unseren Punkclub zu besuchen, um dort noch ein wenig unsere dürren Tanzbeine zu schwingen und ein paar andere Menschen zu treffen. Wir lagen also rum, die Sonne wärmte das Gras, auf dem wir lagen, und die Luft roch nach Endlosigkeit. Zeit war kein Faktor auf dieser Wiese. Wir rauchten Selbstgedrehte, und ich erzählte ihm ein wenig von der Arbeit. «Viel zu tun in diesem Kacklager, heute nur Kabelschleppen gewesen.» «Ich dachte, du bist Bürokaufmann, was machst dir denn die Hände unsauber?» «Ja, muss, Lagerist ist krank und als Azubi bist du halt immer der Vollarsch. Mädchen für alles quasi.» Schmidt grinste und rauchte und guckte in den Himmel, der sich in nachvollziehbarer Langsamkeit wolkenlos verdunkelte. Es wurde etwas kälter, ich hatte noch Wein im Rucksack. «Hast noch Teelichter dabei? Hast doch sonst immer, du geiler Romancier.» Ich kramte im Rucksack und da waren noch drei Teelichter, die ich in möglichst beiläufig wirkender Coolness auf den Rasen warf, und Schmidt zündete eins nach dem anderen an. Wir waren angenehm betrunken, nicht zu sehr, unserer Gehirne Arbeit eine einander verständlich.
    Wir schwiegen, die kleinen Lichter flackerten, der Wein ging seinen Weg durch unsere Blutbahnen, und plötzlich spürte ich Schmidts Hand, die meine streichelte, erst ganz sanft und kaum spürbar, aber dann erkannte ich, dass es keine zufälligen, sondern geplante Bewegungen waren. Ich ließ seine Hand liegen, die rutschte auf meinen Bauch, dann etwas tiefer. Ich glotzte dumpf in die angedeutete Dunkelheit, in mir explodierte ein Emotionsfeuerwerk, gemischt aus Interesse und Angst. Dann kam die Hand zurück zu meiner, umklammerte sie wie ein Äffchen, das Angst hatte vom Baum zu fallen; immer fester und fordernder wurde der Druck, und ich sah aus dem Augenwinkel, wie Schmidt mein Gesicht fixierte. «Alter, blöde Idee und ich wär auch nicht sauer, wenn du Nein sagst, aber hättest du Lust, mir einen zu blasen?» Ich dachte zunächst, ich hätte mich verhört, der Wein hätte meine akustische Wahrnehmung sexualisiert oder so, aber dann wurde Schmidt dringlicher und detaillierter. «Einfach nur mal so, als Homoerfahrung, ich weiß, wir sind beide nicht schwul, aber das hier ist doch der absolut passende Moment für so was.» Ich hatte noch nie mit einem Mädchen geschlafen, fiel mir ein, aber ich wusste allein durch die Gefühlsschwankungen, die ich gegenüber einigen Mädchen hatte, dass ich definitiv heterosexuell veranlagt war. Ich begann zu schwitzen, entzog meine Hand der seinen und stotterte: «Ich weiß nicht ... einfach so?» «Wir sind die besten Freunde, Mann, die absolut besten Freunde. Befreundete Weiber knutschen doch auch rum und befummeln sich, wenn sie geil sind, oder?» Ja, davon hatte ich gehört, und dann gewann das Gefühl des Interesses die Oberhand; ja klar, scheiß der Hund drauf, wir sind nicht schwul, aber interessiert am puren, bombastischen, glorreichen, großen Leben, also her mit allem, was erlebbar ist. «Ok», flüsterte ich dann, immer noch ein wenig unsicher, «aber ich blase nur dir einen, und bevor du abspritzt, sag bloß Bescheid.» «Klar doch.» Schmidt fummelte sich schon am Gürtel rum. Ich war sexualisiert und aufgeregt. Das war so eine Aufregung wie vor dem ersten Sprung vom Fünfmeterbrett im Hallenbad. Du hast schon andere unten ankommen sehen, lustvoll spritzte das Wasser, die Freude der mutig Gesprungenen war so eindeutig, und irgendwann bist du auch da hoch und du dachtest: Wenn ich hier sterbe, dann als Held.
    Ich langte noch mal nach der Weinflasche, um einen großen Schluck zu nehmen, ich war einfach nur gespannt, wie es sich anfühlte, einen Penis im Mund zu haben. Den Penis meines besten Freundes. Homophobie war ebenso wenig ein Thema wie

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