Vogelweide: Roman (German Edition)
einen Wantenspanner, der bei einer Halse herausgerissen worden war, zu reparieren. Das Holz war an der Stelle schon recht morsch. Sie mussten ein Stück der Planke ersetzen.
Es war ein ruhiges Tun, wie sie gemeinsam bis in die Dunkelheit arbeiteten. Das ist die Lust, sagte Eschenbach, die Dinge zu pflegen und zu erhalten, so bleiben sie uns länger treu. Mit der Holzarbeit habe er nicht so viel Erfahrung wie mit dem Metall, der Grund sei der alte Saab, den er, damals noch Student, billig gekauft habe. Das Lenkrad aus Rosenholz, die Sitze aus rotem Elchleder. Was für dich das Boot, ist für mich der Saab. Damals musste er die meisten Reparaturen selbst ausführen. Jetzt bossele er aus Lust und Laune daran herum. In der Werkstatt eines Bekannten hatte er als Student ausgeholfen und sich die technischen Details zeigen lassen. Bald konnte er einfache Reparaturen auch an anderen Autotypen durchführen, schwarz natürlich, und verdiente damit ein gutes Geld hinzu. Sein Vater zahlte korrekt, aber das reichte nicht aus für den Luxus, mit einem Wagen in den Grunewald zu fahren. Zunächst hatte er Nachhilfeunterricht in Latein gegeben, dann aber, weil ihm die Begriffsstutzigkeit und der Widerwille der Schüler unerträglich geworden waren, hatte er für Freunde und Bekannte und deren Bekannte defekte Auspufftöpfe geschweißt oder, wenn es nur noch Rostlauben waren, durch neue ersetzt. Er arbeitete in einer Garage, in der es eine Reparaturgrube, einen Wagenheber und das notwendige Werkzeug gab. Zwei andere Mechaniker arbeiteten hier ebenfalls schwarz. Man musste sich absprechen, wann wer den Wagenheber und die Grube benutzen durfte.
Schon zu dieser Zeit gab es in Westberlin eine solide Schattenwirtschaft. Wer einen Auspuff besorgt hatte und mitbrachte, dem wechselte er den Auspuff, Ford, VW, Opel, und hin und wieder war auch ein Mercedes dabei. Eine Arbeit, die ihn befriedigte. War sie getan, fuhr er mit dem Fahrrad nach Hause, duschte, bürstete sich die Hände und ging hinunter in eine Kneipe mit dem dudenhaften Namen Komma, die ein Mann namens Brumme betrieb, einst ein Schwerverbrecher, eine Bezeichnung, auf die Brumme stolz war, der wegen mehrerer Banküberfälle einige Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Bei ihm trafen sich die Knastbrüder und erzählten ihre, wie Brumme das nannte, Geschichten aus dem wahren Leben. Eschenbach war Student, das machte ihn einerseits verdächtig, da er später womöglich Staatsanwalt hätte werden können, doch die nie ganz aus den Nagelbetten zu scheuernden öligen Dreckspuren verschafften ihm andererseits einen gewissen Respekt bei den Leuten, die mit ihm an der Theke standen und ihre Molle tranken. Und auf die Frage, was er denn so mache, abgesehen vom Studieren, gab er die Antwort, ich habe mich auf Auspufftöpfe spezialisiert. Da nickten sie anerkennend und fragten nicht weiter nach.
Er nahm die Schubkarre, die neben der Hütte stand, und ging zum Strand hinunter. Der Pfad führte an einer ungefähr zwei Meter tiefen Grube vorbei, deren Ränder inzwischen eingesunken waren. Für das Entstehen dieser Grube gab es keine Erklärung. Er hatte dann aber einen erstaunlich realistischen Traum. Ein Blindgänger war frei geweht worden, eine Fünf-Zentner-Bombe. Den Sand hatte man rundherum abgetragen, während man auf den Sprengmeister wartete. Er kam, es war eine Frau. Eine sehr resolute Frau, die ihn für einen Tag aus seiner Hütte verbannte.
Gern hätte er ihr bei der Arbeit zugesehen, wie sie, so hatte sie das beschrieben, den verrosteten Zünder erst anbohrte, ölte und dann herausdrehte. Das könne sie nicht zulassen, hatte sie gesagt, und ihn an das andere Ende der Insel geschickt, auch noch verlangt, dass er sich hinter einer der Dünen in Deckung legen müsse.
Als sie ihre Arbeit getan hatte, lud er sie zu einem Bier ein. Sie saßen, soweit das auf dieser Insel möglich war, windgeschützt auf der Plattform der Hütte, die Sonne schien warm. Sie trank das Bier aus der Flasche. Das Auffällige waren ihre Hände, keineswegs kräftige, eher kleine Hände, ölverschmiert und die Fingernägel dreckig. Sie trug ein Armband aus geflochtenem Gold, ein auffallend schöner alter Schmuck. Sie redeten über Theodor Storm, den sie gelesen hatte, und über den Seehafen, der hier hatte entstehen sollen. Das Projekt war dann aber zu teuer und die Proteste der Umweltschützer waren zu stark geworden. Daraufhin hatte man begonnen, die Elbe zu vertiefen. Das sei ihr Geschäft, sagte sie. Die
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