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Vogelweide: Roman (German Edition)

Vogelweide: Roman (German Edition)

Titel: Vogelweide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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Samstag eine gute Brise, und die Sonne schien.

    Eschenbach war mit seinem Saab zum Segelclub gefahren. Ewald, der am Eingang auf ihn gewartet hatte, ging um den Wagen herum, sagte wunderbar, gepflegt wie ein Stilmöbel. Er befühlte die Gummiabdeckungen an einem Seitenfenster. Gibt es für inzwischen so vergessene Dinge noch Ersatz?
    Ja, ein, zwei Firmen haben sich darauf spezialisiert.
    Und das Baujahr?
    1966.
    Sieht aus wie ein Spielzeugauto.
    Ist es auch. Ein teures.
    Dieses Signalrot, sagte Ewald, der, was Eschenbach nicht überraschte, einen Audi, silberfarben, fuhr und versicherte, dass er in der Stadt nur mit dem Motorrad unterwegs sei, jedenfalls im Sommer. Aber den Proviant habe er nicht auf der Maschine transportieren können. Er hob einen Korb aus dem Wagen. Er habe alles für ein Picknick eingepackt und Anna habe ihren Lieblingswein mitgeschickt. Als kleinen Gruß.
    Das Boot, ein alter 20-Quadratmeter-Jollenkreuzer aus Mahagoni, lag am Wannsee in einem Segelclub, wo Ewald, hatte er denn Zeit, an dem Boot herumpütscherte. Die Großaufträge in China hätten ihn vom Material entfernt. Jetzt sei alles nur noch Planung, Verhandlung und Organisation. Wann gibt es die Gelegenheit, einmal Ziegelsteine in die Hand zu nehmen und eine solide Ecke zu mauern? Am Holzboot aber sei immer etwas auszubessern, zu schmirgeln, zu streichen, oder morsche Eichenspanten müssten ausgewechselt werden. Er freue sich über jede neue morsche Spante. Das Vierkantholz müsse in einem Blechrohr unter Wasserdampf in die Seitenform gebogen und dann mit Messingstiften an die Planken genietet werden. Dabei helfe ihm Ole, sein Sohn. Und ihn freue es jedes Mal, wie geschickt der Junge sich dabei anstelle. Es sei überhaupt erstaunlich, wie schnell Kinder, haben sie denn eine gewisse Begabung und nicht zwei linke Hände, das Handwerkliche lernten. Nur zum Segeln habe er den Jungen noch nicht überreden können. Dabei sei gerade das etwas, was sie beide einander näherbringen könnte, so wie er das selbst mit seinem Vater erlebt habe. Es sind doch die kleinen Abenteuer, die kleinen Pannen, in denen man sich und den anderen kennenlernt. Vor allem die Verlässlichkeit erfährt. Umsicht und Ruhe in angespannten Situationen. Unvergesslich, wie sein Vater ihm bei einem einsetzenden Sturm erklärt habe, wie das Großsegel gerefft wird. Der Vater saß an der Pinne, hatte die Fock back gesetzt, die Wellen spritzten über das Boot. Der Vater gab seine Anweisungen, ruhig und knapp, die er, Ewald, genau befolgt habe. Es war gelungen. Und danach, zurück am Steg, habe er zum ersten Mal ein alkoholisches Getränk bekommen, einen warmen Ramazotti. Ein wunderbares Erlebnis. Ein Initiationsritus. Er hatte die prekäre Situation bestanden. Danach hatten sie viele gemeinsame, auch aufregende Touren gemacht. Sie konnten sich aufeinander verlassen. Vor allem aber diese Erfahrung: Ich konnte mich auf mich selbst verlassen. Deshalb sei es so schade, dass Ole bei jeder handwerklichen Arbeit sogleich dabei sei, aber keine rechte Lust zum Segeln habe. Die Tochter, Lisa, sei mit ihren acht Jahren noch zu klein, zeige aber auch keine Neugier. Hast du Kinder?
    Ja. Eine Tochter. Hört auf den etwas seltsamen Namen Sabrina, einen Namen, den ich nicht ausgesucht, auch nicht gewollt habe. Es war der Wunsch der Mutter. Wir sind zusammen gesegelt. Das Mädchen und ich. Elf, zwölf Jahre war sie alt. Das war die beste Zeit. Sie war sehr geschickt, wusste, woher die Winde kamen, hatte eine sehr gute Raumvorstellung. Wir hatten damals viel Spaß.
    Später nicht mehr?
    Es wurde kompliziert, sagen wir mal so, nach der Trennung von meiner Frau, und kompliziert ist es immer noch.

    Bei achterlichem Wind segelten sie den Wannsee hinauf bis zur Alten Liebe, dem Restaurantschiff, in dem Eschenbach hin und wieder Fisch aß, wendeten und kreuzten hinaus zur Insel Lindwerder.
    Vor der Insel holten sie die Fock und das Großsegel nieder, warfen den Anker aus, ließen das kleine Fallreep an der Bordwand hinunter, schwammen in dem noch kalten Wasser, trockneten sich ab, setzten sich in die Plicht. Ewald holte den Chardonnay aus der Eisbox, legte Brot und Käse, Besteck und Servietten zurecht.
    Als Eschenbach mit Ewald anstieß, dachte er an Anna, und so stark war sein Wunsch, sie möge hier sein, dass er glaubte, Ewald könne, ja, müsse es ihm ansehen, darum sagte er: Anna hat gut gewählt.
    Mit dem letzten Wind kamen sie abends zum Steg zurück, takelten das Boot ab und begannen damit,

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