Vogelweide: Roman (German Edition)
die Weibchen, wohl aber um eine Fliege, einen Käfer, einen Wurm, um einen Sitzplatz, um alles und nichts. Im Freien versammeln sie sich hierzu auf besonderen Plätzen. Eine etwas erhöhte, immer feuchte, mit kurzem Rasen bedeckte Stelle von 1,5–2 m Durchmesser wird zum Kampfplatz ausgewählt und nun täglich von einer gewissen Anzahl Männchen mehrmals besucht. Hier erwartet jedes den Gegner, um mit ihm zu kämpfen. Bevor die Federn des Kragens sich nicht ausgebildet haben, erscheint kein Kampfläufer auf dem Walplatz; sowie er aber sein volles Hochzeitskleid angelegt hat, findet er sich ein und hält nun mit einer bewundernswürdigen Zähigkeit an dem Platze fest. Nur hier auf der Walstatt wird der Streit ausgefochten; außerhalb herrscht Frieden. Die Kämpfe sind sehr harmloser Natur und eigentlich mehr Kampfspiele.
›Ihre Balgereien‹, schildert Naumann, ›sind stets nur eigentliche Zweikämpfe; nie kämpfen mehrere zugleich gegeneinander; aber es fügt sich oft, wenn mehrere am Platz sind, dass zwei und drei Paare, jedes für sich, zugleich kämpfen und ihre Stechbahnen sich durchkreuzen, was ein wunderliches Durcheinanderrennen und Gegeneinanderspringen gibt, dass der Zuschauer aus der Ferne glauben möchte, diese Vögel wären alle toll und vom bösen Geist besessen. Wenn sich zwei Männchen gegenseitig aufs Korn genommen haben, fangen sie zuerst, noch aufrecht stehend, zu zittern und mit dem Kopf zu nicken an, biegen nun die Brust tief nieder, so dass der Hinterleib höher steht, zielen mit den Schnabel nacheinander, sträuben dazu die großen Brust- und Rückenfedern, richten den Nackenkragen aufwärts und spannen den Halskragen schildförmig aus: so rennen und springen sie aufeinander los, versetzen sich Schnabelstöße, die der mit Warzen bepanzerte Kopf wie ein Helm und der dichte Halskragen wie ein Schild auffangen, und dies folgt alles so schnell aufeinander, und sie sind dabei so hitzig, dass sie vor Wut zittern, wie man besonders in den kleinen Zwischenräumen der mehrmaligen Anläufe, die auch schnell aufeinander folgen, deutlich bemerkt, und deren mehr oder weniger, je nachdem die Kampflust bei den Parteien gerade heftiger oder gemäßigter ist, zu einem Gange gehört, auf welchen eine lange Pause folgt. Der Kampf schließt fast, wie er anfängt, aber mit noch heftigerem Zittern und Kopfnicken; letzteres ist jedoch auch von anderer Art, ein Zucken mit dem Schnabel gegen den Gegner, das wie Luftstöße aussieht und Drohung vorzustellen scheint. Zuletzt schütteln beide ihr Gefieder und stellen sich wieder auf ihren Stand, wenn sie nicht etwa überdrüssig sind und sich auf einige Zeit ganz vom Schauplatze entfernen ...
Dieses genaue Hinsehen, das sich eine ebenso genaue Sprache sucht, die wiederum das Beobachten schärft, wäre für die Beschreibung unseres Verlangens vorbildlich, dachte er.
Als Eschenbach sich diese Stelle abschrieb, saß wieder einmal der englische Freund in der Hütte und sagte, du ahnst, welch ein Verlust eintritt, wenn die Zoologen, wie das inzwischen alle Naturwissenschaftler tun, nur noch auf Englisch schreiben. Die Folge: Eine Verarmung des Deutschen, und aus dem Englischen wird ein Wissenschaftspidgin. Und er sagte fuck.
Auch hier hatten die Kampfläufer sich einen Platz ausgesucht, wo die Männchen zum Kampf antraten. Eine flache, von Gras bewachsene Stelle. Dort hatte sich Eschenbach im Frühjahr hingesetzt und diesen wunderbaren Turnieren zugesehen. Bald hatte er auch einen Favoriten unter den Kampfläufern für sich ausgeschaut, den er Parzival nannte. Das Tier fiel durch seine weiße Halskrause und durch eine Eigenart auf. Es lief erst zögerlich, als wolle es den Kampf doch noch abbrechen, dann aber, als habe es all seinen Mut zusammengenommen, in einer umso kraftvolleren Gangart gegen seine Gegner an.
Eschenbach saß im Café der Norne gegenüber. Sie hatte ihm Äpfel vom Bodensee mitgebracht, Maigold, reich an Vitaminen und Mineralien, sie redete, als wolle sie in ihn hineinkriechen. Je genauer das Bild umrissen ist, desto besser ist dann auch die Partnerwahl. Man muss dieses Bild, den Wunsch, ins Bewusstsein heben. Je genauer wir es sehen, desto leichter ist unser Suchen. So haben Sie die Möglichkeit, den Partner zu finden. Wer aber wie das blinde Vieh über die Weide läuft und den erstbesten paarungswilligen Partner nimmt, ist bald enttäuscht. Mich, sagte sie, interessiert, wie und wo das Bild entsteht. Das schöne Angesicht, das ist der Weg zum
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