Vogelweide: Roman (German Edition)
und hatte gesagt, da ist eine Frau am Telefon, die dich unbedingt sprechen will, aber nicht verrät, was sie will. Verlangt mit großer Bestimmtheit nach dir. Kann ich das Gespräch durchstellen?
Er nahm den Hörer ab und hörte eine klangvolle, gut artikulierende Stimme, die um ein kurzes Treffen bat, auf einen Kaffee.
Worum geht es?
Ein Hilfsprojekt. Er hatte nur halb hingehört, war mit seinen Gedanken woanders, bei irgendwelchen Bankgesprächen und der notwendigen Kündigung eines provozierend faulen Programierers, und hatte schließlich Ja gesagt.
Sie hatten sich in einem Café am Ludwig-Kirch-Platz verabredet. Sie kam, eine dieser hoch aufgeschossenen jungen Frauen, selbstsicher durch gutes Aussehen, Erziehung und akademischen Grad. Eine junge Frau, früher hätte man noch Mädchen gesagt, aber doch schon siebenundzwanzig, wie sich herausstellen sollte. Sie bat um eine Gefälligkeit. Die Organisation, der sie angehöre, verschicke Hilfsgüter in den Sudan. Alle arbeiteten ehrenamtlich. Ihre Bitte sei, ob er, ob sein Büro, das man ihr empfohlen habe, ihnen bei der Logistik helfen könne. Sie kämen mit der Verteilung, mit den Transporten, den Zeiten einfach nicht zurecht. Gestiftetes medizinisches Gerät, gebraucht, Operationsbestecke, zahnärztliche Apparaturen, aber auch Decken und vertretbar abgelaufene Medikamente, all das komme nicht dort an, wo es hin solle, und dort, wo es ankomme, brauche man es gerade nicht.
Zahlen könne ihre Organisation nichts, aber sie würde ihn zu einem Opernabend einladen, einer ihrer Sympathisanten habe zwei Karten für Norma gestiftet.
Er dachte erst, sie mache einen Witz, aber da sie ihr Anliegen so ruhig und bestimmt vortrug, sagte er, es werde sich ein Weg finden. Sie bedankte sich, und sie verabredeten sich für die nächste Woche in der Oper.
Wenn er sich prüfte, musste er sich eingestehen, dass nicht seine Nächstenliebe die Triebkraft war, der kleinen Dienstleistung zuzustimmen, sondern es war die Neugier auf diese junge Frau. Und so zog er am vereinbarten Donnerstag seinen dunkelblauen Anzug an und machte sich auf den Weg. Sie wartete schon in der Vorhalle, und ihn überraschte, als sie auf ihn zukam, dass sie älter wirkte als die in Pullover und Jeans Gekleidete im Café. Stark geschminkt, künstliche Wimpern, auf den schwarz gerandeten Lidern ein feiner Silberstaub, die braunen Haare kunstvoll toupiert. Eine Edelnutte, dachte er. Sie trug ein schwarzes, tief ausgeschnittenes Seidenkleid. Beugte sie sich vor, sah er ihre Brüste, und sie beugte sich oft vor.
Ich komme mir wie eine Nutte vor, sagte sie, aber was tut man nicht alles. Die Spenden mussten verteilt werden. Geld hatte die Gruppierung nicht, aber viel Idealismus, so schien es ihm. In der Pause, als sie im Foyer standen, Champagnergläser in den Händen, erzählte sie ihm, dass sie früher einmal am Theater gewesen sei, auch eine Schauspielausbildung gemacht und Gesang studiert habe. Nach einem kurzen Engagement in Flensburg, nur Nebenrollen, habe sie es aufgegeben und weiterstudiert.
Und was?
Politische Wissenschaften.
Und warum hatte sie die Schauspielerei aufgegeben?
Das Talent, mein Talent war begrenzt. Aber wichtiger war, ich wollte etwas anderes machen.
Er hatte einen seiner Informatiker damit beauftragt, sich die Daten und Unterlagen geben zu lassen, um die notwendige Software zu erstellen. Der Mann hatte seine Arbeit in einer Woche getan, immerhin eine Woche Gehalt, das Eschenbach ja zahlen musste. Ein Solidaritätsbeitrag für die gute Sache, sagte er sich, nahm sich zugleich vor, diesmal einen geringeren Betrag für Amnesty International zu spenden. Die junge Frau, die sich Andrea nannte, kam wieder nach Berlin, und nach einem neuerlichen Opernbesuch, Aida , hatte er sie zu sich eingeladen.
Seine Serengeti betrachtete die junge Frau mit ihren grünen Augen, wanderte in seinem Loft herum, nicht wie später Selma staunend und mit Ausrufen des Entzückens, stellte ihre kleine schwarze geflochtene Tasche auf den Glastisch und sagte nur, hier wäre Platz für zwei Familien aus Rumänien.
Eschenbach hatte die drei CDs auf die schwarze Anrichte gelegt. Seine Assistentin hatte sie in dunkelblaues Papier mit kleinen roten Weihnachtsmännern eingewickelt.
Sie lächelte, sagte, wie nett und danke.
Es war so überraschend selbstverständlich, so freundlich mühelos. Sie hatten etwas getrunken, sich geküsst, sie war aus dem Kleinen Schwarzen gestiegen und mit ihm ins Bett gegangen.
Sie
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