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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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einen wütenden Blick
zu.
    »Das richtet sich gar nicht gegen Sie, Chefin«, sagte
Brummer, nachdem er ihre Reaktion bemerkt hatte. »Sie können nichts dafür, Sie
machen alles richtig. Aber wir stehen im internationalen Wettbewerb: Die
Chinesen liefern Stein, die Franzosen, die Inder und die Südafrikaner. Und wir
stehen mit unseren veralteten Maschinen da und müssen uns auslachen lassen. Von
wem bekommen wir denn noch Geld? Die sind alle so vorsichtig geworden, die
Herren von der Bank in ihren schwarzen Anzügen. Die bewilligen Kredite bloß
noch für hundertprozentig sichere Geschäfte, und der Staat will immer nur
abkassieren. Und wenn ein Geschäft einmal gut läuft, dann hält das Finanzamt gleich
die Hand auf. Blutsauger sind das allesamt, Blutsauger!«
    Hecht wurde allmählich ungeduldig, sodass er Brummers
wirtschaftspolitischen Exkurs unterbrach. »Wie ging das mit Herrn Önemir denn
weiter?«
    »Önemir, ja klar. Ich habe so meine Beziehungen und konnte
darüber erfahren, dass er mit den Fossiliensammlern, die er so kennt, Termine
ausmacht. Besichtigungstermine, direkt im Steinbruch. Ziemlich riskant, wenn
Sie mich fragen, weil wir überall Schilder aufgestellt haben, dass Unbefugten
der Zutritt strengstens verboten ist. Meine Idee war, dass ich Önemir auf
frischer Tat erwische. Also habe ich an einem Abend bei ihm daheim angerufen,
mit verstellter Stimme natürlich, und so getan, als ob ich ein Sammler wäre,
der von ihm etwas kaufen will.«
    »Und Önemir hat angebissen«, schlussfolgerte
Morgenstern.
    »Zuerst war er noch ziemlich vorsichtig, der alte
Fuchs. Er kenne mich ja nicht, hat er gesagt, mich aber dann für den
Fronleichnamstag in der Frühe in den Steinbruch bestellt. Wir sollten uns mal
kennenlernen, dann könnten wir vielleicht auch ins Geschäft kommen. An
Fronleichnam um neun Uhr, gleich nach dem Frühstück.«
    »Und Sie sind dann mit Ihrem Fahrrad von Schernfeld
nach Wintershof geradelt?«, fragte Hecht.
    »Ja. Ich habe das Fahrrad genommen, weil ich gerne mit
dem Rad fahre, vor allem aber deshalb, weil er mein Auto auf den ersten Blick
erkannt hätte. Ich wollte ihn überraschen, damit er seine Sachen nicht mehr
wegräumen kann.«
    »Und das ist Ihnen gelungen?«
    »Leider nicht ganz, denn Önemir war misstrauisch. Als
ich in den Steinbruch einbog, war er zwar da, hatte aber überhaupt nichts
hergerichtet. Nicht den kleinsten Fisch, keinen Ammoniten, null, niente.«
    »Und wie hat er reagiert, als er Sie erkannt hat?«,
fragte Morgenstern.
    »Er hat gelacht«, sagte Brummer tonlos. »Er hat
lauthals gelacht. Und dann hat er sich über mich lustig gemacht. Dass es
unserer Firma wohl so schlecht gehe, dass ich mit dem Fahrrad fahren müsse.
Seit wann ich denn Fossilien sammle, wollte er wissen, und dann hat er erklärt,
dass er mir leider überhaupt nichts verkaufen könne, weil das nämlich
ausdrücklich verboten sei. Und die ganze Zeit über hat er wie verrückt
gelacht.«
    »Und dann sind bei Ihnen die Sicherungen
durchgebrannt«, folgerte Hecht trocken.
    »So ungefähr. Ich habe ihn angeschrien, dass ich weiß,
was er versteckt, nämlich einen Archaeopteryx, und dass er ihn mir sofort
aushändigen soll, weil er uns gehört, weil wir das Geld brauchen und weil ich
mich ansonsten eventuell vergessen würde.«
    »Ich schätze, Herr Önemir war nicht beeindruckt«,
vermutete Morgenstern.
    »Nein. Er hat nur mit dem Kopf geschüttelt und blöd
gegrinst. Er wisse gar nicht, was das sein soll, ein Archaeopteryx. Dabei hat
er das Wort so komisch ausgesprochen, als würde er es zum allerersten Mal
hören. Mit einem ganz lauten ›Arsch‹ vorne dran. ›Arsch-Obelix‹, so etwa hat
sich das angehört. Und dann bin ich durchgedreht. Wir standen am Eingang zu
seinem Winterdach, wo an der Wand ein kurzes Brecheisen gelehnt hat. Ich habe
zu Önemir gesagt, er solle mir doch wenigstens rasch etwas zu trinken aus seinem
Kühlschrank holen, bevor ich wieder heimfahre, weil bei ihm anscheinend nichts
zu holen sei. Und als er in seinen Verschlag gehen will, greife ich mir die
Brechstange und schlage ihm von hinten ins Genick. Da hat er dann nicht mehr
gelacht.«
    »Und warum lag er dann unter einem dieser Haufen von
Dreck und Steinen?«, fragte Morgenstern, obwohl er längst wusste, was passiert
war.
    »Ich habe Önemir unter die Arme genommen, ihn an den
Rand vom Bruch geschleift, an eine Stelle, an der es sowieso in den nächsten
Tagen oder Wochen einen kleinen Erdrutsch gegeben hätte, den ich

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