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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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spürte, dass er Morgensterns Gedankengang nicht
stören durfte. Wie bei einer Yogaübung atmete sein Kollege nun ganz bewusst ein
und aus, als müsse er sein Gehirn mit einer Extraportion Sauerstoff fluten. Und
plötzlich, wie ein Blitz, der vom Himmel fährt, hatte Morgenstern die fehlende
Verbindung gefunden, nach der er so intensiv in seinem Unterbewusstsein
gefahndet hatte.
    »Ich hab’s«, flüsterte er. Dann rief er: »Jetzt hab
ich’s wirklich. Spargel, wir müssen sofort nach Solnhofen.«
    Sie
kamen unangemeldet, hatten dafür aber gleich Verstärkung von der für Solnhofen
zuständigen Polizeiinspektion Treuchtlingen angefordert.
    Die Kollegen hatten versprochen, sofort einen
Streifenwagen zu schicken, als Treffpunkt war das Ortsschild am Eingang der
Steinbrüche vereinbart worden.
    Pauline Schredl war sichtlich erfreut, als sie sah,
wie Hecht und Morgenstern in Begleitung eines Streifenwagens auf ihren
Firmenhof fuhren. Als die Beamten ausstiegen, erwartete sie sie bereits am
Eingang des Bürogebäudes.
    »Ja, so eine Überraschung«, freute sie sich. »Und ich
dachte, dass es noch mindestens ein paar Wochen dauern würde, bis wir den
Archaeopteryx bekommen. Das hatten Sie mir ja gestern so angekündigt«, sagte
sie fröhlich und drohte Morgenstern spielerisch mit dem rechten Zeigefinger,
als wolle sie ihn ausschimpfen. »Also, wo haben Sie ihn, meinen Urvogel? Wir
drei werden wohl gleich wieder Champagner trinken müssen, was?« Dabei zwinkerte
sie Hecht und Morgenstern zu, denen die Situation gegenüber ihren Streifenkollegen
mehr als peinlich war.
    »Frau Schredl, ich fürchte, es handelt sich um ein
Missverständnis«, begann Morgenstern ernst. »Der Archaeopteryx ist und bleibt
in der Asservatenkammer. Wir sind hier, weil wir mit Ihrem Mitarbeiter sprechen
müssen. Ich weiß leider seinen Familiennamen nicht mehr, aber wir brauchen den
Josef.«
    »Den Herrn Brummer? Der ist zwar gerade in der
Schleiferei beschäftigt, aber ich lasse ihn gleich holen.«
    »Nicht nötig, ich glaube, wir gehen besser selber zu
ihm«, entschied Morgenstern. »Wenn Sie uns bitte zu ihm führen würden?« Er
sagte das so bestimmt, dass sich die ansonsten so resolute Pauline Schredl mit
einem Schulterzucken und einem knappen »Ganz, wie Sie meinen« fügte.
    »Wo wohnt der Herr Brummer eigentlich?«, fragte Morgenstern
die Chefin beiläufig, während sie die Beamten zu einer Halle auf die andere
Seite des Hofes führte.
    »Drüben in Schernfeld, gleich oberhalb von Eichstätt.
Warum?«
    »Nur so.«
    Frau Schredl öffnete die Hallentür, die in ein großes
Metalltor integriert war. Morgenstern war überrascht vom Lärm, der ihnen
entgegenschlug. Im Innern war es dämmrig, überall standen hölzerne Kisten mit
rohen, frisch gebrochenen Kalkplatten herum. Der Lärm stammte von den
Steinsägen, mit denen die Platten in Rechtecke oder Quadrate zugeschnitten
wurden, und von den großen Schleif-und Poliermaschinen. Überall sprühte Wasser
und sammelte sich in hellgrauen, schlammigen Pfützen. Einige wenige Mitarbeiter
bedienten in weißen Gummischürzen und mit Gummistiefeln die Maschinen, ihre Ohren
hatten sie mit Gehörschutz gegen den schlimmsten Lärm abgeschirmt.
    »Dahinten ist er!«, schrie Pauline Schredl gegen den
Lärm an. Sie deutete auf eine stählerne Werkbank, an der ein Mann in kurzen
Hosen, mit kariertem, langärmeligem Hemd und in klobigen Sicherheitsschuhen
gerade eine Steinplatte mit einem Handschleifgerät nachpolierte. Josef Brummer.
    »Herr Brummer!«, rief Morgenstern, als sie direkt
hinter ihm standen, doch der Angesprochene reagierte wegen seines dicken
Gehörschutzes nicht. Schließlich tippte Morgenstern ihm von hinten auf die
Schulter. Brummer zuckte zusammen, drehte sich um und starrte dann erschrocken
die Delegation an, die sich da vor ihm aufgebaut hatte. Mit langsamen
Bewegungen schaltete er die Poliermaschine aus und nahm seine Ohrenschützer ab.
An den anderen Arbeitsplätzen ging das Lärmen wie gewohnt weiter.
    »Herr Josef Brummer«, sagte Morgenstern, »ich habe da
mal eine Frage an Sie. Wo waren Sie am Morgen von Fronleichnam?«
    »Wer will das wissen?«, gab Brummer aggressiv zurück.
    »Ich, die Kriminalpolizei, der Staatsanwalt und
vielleicht bald auch das Gericht«, patzte Morgenstern.
    »Nun, ich kann mich nicht erinnern, keine Ahnung, wo
ich war. Wahrscheinlich im Bett, kommt drauf an, welche Uhrzeit Sie meinen.«
    »Neun Uhr früh, und wenn Sie mir nicht gleich sagen,
wo Sie waren,

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