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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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sollte. Mit Einkehr und vielleicht
auch einer Besichtigung der örtlichen Burg. Dass er zur Prozession verdonnert
worden war, hatte den Ausflug ohnehin schon aufs Minimalformat schrumpfen
lassen. »Bis Dollnstein kommen wir trotzdem auf jeden Fall«, hatte er noch am
Dienstagabend großspurig getönt. Und jetzt das. Das Nest war leer, alle
ausgeflogen. Ohne ihn, den Familienvorstand. Der Oberkommissar konnte sich nur
zu gut vorstellen, wie der Tag enden würde: mit einer jener zermürbenden
Grundsatzdiskussionen mit Fiona über Männer im Allgemeinen und das Exemplar
Mike Morgenstern im Besonderen. Entgegen allen Beteuerungen unterscheide sich
Letzteres natürlich in keinerlei Hinsicht von jenen egozentrischen,
karrierebesessenen und machohaften Typen, die sich einen feuchten Dreck um die Familie
kümmerten und im Zweifel immer dem Beruf und den Kollegen den Vorrang vor Frau
und Kindern gaben.
    Früher hatte Morgenstern in einem solchen Fall
wortreich versichert, dass Fiona keineswegs das Familienfaktotum sei,
mitnichten festgenagelt auf die Rolle der Hausfrau, Köchin, Raumpflegerin und
Kinderanimateurin, doch meist waren solche Beteuerungen vergebliche Liebesmüh
gewesen. Und so hatte sich der Ermittler im Laufe der Jahre angewöhnt, die
verbalen Nackenschläge klag-und wortlos einzustecken. »Reden ist Silber,
Schweigen ist Gold«, versuchte er sich dann immer in Erinnerung zu rufen. Bei
seinen mühsamen Rechtfertigungsversuchen hatte er sich gelegentlich schon um
Kopf und Kragen geredet. Und dann war der Abend erst recht mit Tränen und einer
knallenden Wohnzimmertür beendet worden.
    Heute konnte es für ihn nur eine Rettung geben: ein
Abendessen vom Feinsten als sichtbares Zeichen der totalen Zerknirschung, mit
viel Liebe von niemand anderem als Mike Morgenstern selbst zubereitet, dem
Gelegenheitskoch und allseits bekannten Küchendrückeberger.
    Eilig öffnete er die Kühlschranktür – heute schon sein
zweiter Kühlschrank. Sofort fielen ihm wieder die Fotos aus dem Steinbruch ein.
Damit sie nicht verknickten, hatte er sie ins Handschuhfach des Autos gelegt.
Da waren sie wenigstens gut aufgehoben.
    Leider stellte sich der Kühlschrank im Hause
Morgenstern als kein Quell kulinarischer Inspiration heraus: zwei angebrochene
Gläser »Schlemmertöpfchen«-Essiggurken, zwei Marmeladen, mehrere offene
Sahnebecher und eine Flasche Grillketchup. Auch eine Packung Eier fand sich:
Drei waren immerhin noch drin. Morgensterns Hoffnung konzentrierte sich
zunehmend auf eine runde Frischhaltebox aus Plastik. Inzwischen deutlich in
Sorge zerrte der Oberkommissar an dem dunkelblauen Deckel, der sich ihm
widersetzte.
    »Himmelherrgott!«, fluchte Morgenstern, dann löste
sich mit einem Ratsch der Deckel, und in der Hektik und Anspannung fiel der
gesamte Inhalt der Box auf den Fliesenboden der Küche. »Na, Mahlzeit!«,
schimpfte der Hobbykoch über sein Missgeschick und inspizierte dann die
Ausbeute seiner nervenaufreibenden Arbeit: ein kleines Päckchen aufgeschnittene
Salami, drei Scheiben Paprikawurst, mehrere Scheiben gekochter Schinken, von
denen die oberste grün fluoreszierte, dazu etliche starre Lagen Emmentaler.
Selbst Paul Bocuse konnte damit kein Abendessen zaubern. Und erst recht keines,
mit dem er in nicht einmal drei Stunden vor einer wütenden Fiona Gnade finden
würde.
    Morgenstern überlegte fieberhaft. Lass dir was
einfallen!, feuerte er sich innerlich an. Sollte er einfach beim Chinesen etwas
zum Abholen ordern? Das wäre natürlich die einfachste Lösung, aber er konnte
sich Fionas Reaktion darauf schon ausmalen: »Ach, wenn der Herr des Hauses ein
einziges Mal mit Kochen dran ist, dann macht er gleich den dicken Maxe. Dann spielt
auch Geld auf einmal keine Rolle mehr.« Der Chinese schied damit also aus.
Pizzaservice? Den Kindern würde es bestimmt schmecken, überlegte Morgenstern,
und teuer wäre es auch nicht. Aber als Versöhnungsgeste fehlten vier Schachteln
Pizza dann doch die Ernsthaftigkeit. Es half nichts, er musste zum Einkaufen.
»Zeit läuft ab jetzt!«, gab er den Startschuss. »Wer weiß, wann die
heimkommen.«
    Zum Äußersten entschlossen schulterte Morgenstern den
kleinen Einkaufsrucksack der Familie. Der Supermarkt war höchstens einen
Kilometer entfernt: zum Laufen zu weit, fürs Auto im Eichstätter
Einbahnstraßengewirr zu stressig. Als Morgenstern sein Fahrrad bereits draußen
auf die Straße geschoben hatte, fiel ihm schlagartig ein, dass es mit dem
Einkauf wohl nichts werden

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