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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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würde. Heute war Feiertag, da hatten alle zu.
    »Verdammt noch mal!« Seine Stirn verspannte sich
schmerzhaft. Der vermeintlich simple Kochauftrag wurde immer komplizierter. Nun
denn: In einem Anflug von Ehrgefühl entschied er sich, die Aufgabe mannhaft anzunehmen:
»Und dann kann mich auch ein geschlossener Supermarkt nicht aufhalten.«
    Morgenstern ballte seine Fäuste, dachte noch einmal
kurz nach und schob dann sein Fahrrad ins Haus zurück. Ein dreifaches Hoch auf
die Segnungen der modernen Zivilisation, freute er sich, als er die Treppe
hinaufstürmte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Wofür gab es denn die
Gefriertruhe? Das kleine Ding hatte ihnen vor gut einem Jahr seine Mutter
spendiert. Mama hatte es, wie sie es spitz formulierte, »nicht mit ansehen können«,
dass dem Haushalt Morgenstern junior die lang bewährten Prinzipien einer
soliden Vorratshaltung offenbar gänzlich gleichgültig waren. »Wahrscheinlich
werft ihr sogar alles, was vom Mittagessen übrig bleibt, einfach weg.« Damit
hatte sie den Nagel ziemlich gut auf den Kopf getroffen, auch wenn Mike es
damals nicht gewagt hatte, diese Praxis freimütig einzugestehen. Schließlich
war seine Mutter eine überzeugte Vertreterin der Nachkriegsgeneration:
Verschwendungen aller Art waren ihr zeitlebens ein Gräuel geblieben. Kurzum:
Die Morgensterns hatten von ihr einen Gefrierschrank spendiert bekommen, der,
zugegebenermaßen ein bisschen stiefmütterlich behandelt, in der Speisekammer
stand. Jetzt konnte er der rettende Strohhalm sein.
    Morgenstern riss die Tür der Speisekammer auf und
stieg über die Getränkekisten hinweg in die hinterste Ecke, wo das Kühlgerät
stand. Er hatte es auf eine Packung Tiefkühlpommes abgesehen, die er im
Elektroherd auf dem Blech aufbacken konnte: Das würde selbst er locker
schaffen. Doch heute sollte wohl einfach nicht sein Glückstag sein. Statt der
Pommes fand er nur eine Packung Spinat. Im Plastikschubfach darunter stieß er
hingegen auf einen Gefrierbeutel mit Fleisch. Morgenstern fischte ihn heraus
und beäugte ihn von allen Seiten: Hurra! Vier dicke Steaks im Kälteschlaf.
    Da war der notgedrungene Verzicht auf die Pommes schon
gar nicht mehr so schmerzhaft. Dann mache ich halt Bratkartoffeln, das kriege
ich schon hin, entschied er in Gedanken. Die aß nicht nur er gerne, auch die
Jungs würden sich darüber freuen, und er hatte Fiona schon oft bei der
Zubereitung über die Schulter gesehen. Kross gebratene Kartoffelschnitze – das
war nun wirklich eine seiner leichtesten Übungen. Morgenstern fühlte sich
regelrecht beflügelt vom Gedanken an das bevorstehende Festmahl, das er zaubern
würde. Im Überschwang beschloss er – wenn schon, denn schon –, alle Register zu
ziehen. Es war Mitte Juni, die beste Zeit für Erdbeeren, und draußen am
Stadtrand gab es doch die Plantage. Die sollte eigentlich auch am Feiertag
offen haben. Mann, wie würde er mit frisch geernteten Erdbeeren bei Fiona
absahnen!
    Doch eins nach dem anderen. Morgenstern zwang sich zu
einer systematischen Vorgehensweise. Die war in seinem Beruf schließlich sein
täglich Brot, also sollte sie auch in der Küche anzuwenden sein. Als Erstes
nahm er die Steaks aus der Tüte, aber die Dinger waren zu einem großen Klumpen
zusammengefroren: Was tun, wenn die Zeit drängte? Kurz entschlossen schob
Morgenstern den Eispacken in die Tüte zurück, verschloss sie wieder mit dem
kleinen roten Gummi, ließ heißes Wasser ins Spülbecken und versenkte das Paket
in den Fluten. Während das Eis schmolz, holte er den Pappkarton mit den
Kartoffeln aus der Speisekammer und tat die besten von ihnen in den
altmodischen hellblauen Dampftopf. Den unteren Topf füllte er mit zwei
Kaffeetassen Wasser, setzte den Einsatz mit den Kartoffeln darauf, verschloss
alles mit dem Deckel und drehte dann den Schalter für die Platte des
Elektroherds auf Anschlag. In einer knappen Stunde sollten die Knollen seiner
Berechnung nach gar sein. Fiona verwendete ja als Blitzverfahren immer den
silbernen Dampfkochtopf, den »Sico«, aber der war für Morgenstern ein Gerät des
Teufels. Ein potenzieller Sprengsatz. Eine als Küchengerät getarnte Rohrbombe.
Dann doch lieber Uromas zuverlässige Methode mit den »Dämpferle« von anno
dazumal.
    Geschafft. Er atmete tief durch. Jetzt blieb ihm noch
jede Menge Zeit, um Erdbeeren vom Feld zu holen, die Festtafel zu decken und
anschließend die gekochten Kartoffeln sowie die saftigen Steaks zu braten. Fast
schon entspannt schwang

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