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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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grundgemütlich mit einem zeitungsraschelnden zweiten
Frühstück startete, um sich, wie Schneidt einmal wichtig formuliert hatte,
einen »Überblick über die Nachrichtenlage« zu verschaffen. Das unterschwellige
Misstrauen beruhte also auf Gegenseitigkeit.
    Allerdings war Morgensterns Schreibtisch im Moment
tatsächlich wie leer gefegt. Das Einzige, was anlag, war eine kleine
Einbruchserie in Autohäusern der Region, nichts Spektakuläres, nur ein paar
abgeschraubte Aluminiumfelgen und ausgebaute Musikanlagen. Gelegentlich griff
er auch den Kollegen von der Rauschgiftbekämpfung unter die Arme, denn
Ingolstadt hatte eine überraschend agile Drogenszene, die von den Russen
dominiert wurde, jugendlichen Spätaussiedlern, die es mit ihren Familien aus
Kasachstan nach Bayern verschlagen hatte und deren Anteil in Ingolstadt
besonders hoch war. Große »eigene« und ungelöste Fälle, die er von Zeit zu Zeit
zur erneuten Überprüfung herausholen konnte, hatte Morgenstern als Neuling noch
nicht in der Schublade liegen.
    »Also gut, dann hören wir uns halt in Wintershof um«,
gab sich der Oberkommissar geschlagen.
    »Nicht umhören«, warf Schneidt ein, und schon wieder
schwang in seiner Stimme dabei dieser sarkastische Unterton mit. »Ich erwarte,
dass Sie beide in Wintershof von Haus zu Haus, von Hof zu Hof gehen und sich
ganz gezielt erkundigen, ob jemand am Donnerstag früh etwas in dem Steinbruch
gesehen hat. Haben Sie mich verstanden? Ja oder ja?«
    Jetzt war mehr als offensichtlich, dass Adam Schneidt
heute nicht in der Stimmung für Kompromisse war. Morgenstern und Hecht nickten
brav wie Kommunionbuben. Was blieb ihnen auch anderes übrig?
    »Wenn Sie fertig sind, dann will ich Sie hier mit
Ihrem Bericht wiedersehen«, fügte Schneidt hinzu. »Und noch etwas: Ziehen Sie
sich bequeme Schuhe an, die können Sie brauchen.« Er zögerte kurz, blickte auf
die Knochentüte, die er schon minutenlang in der Hand gehalten hatte, und
drückte sie dann Morgenstern an die Brust. »Und das hier nehmen Sie bitte schön
mit nach Hause. Oder glauben Sie allen Ernstes, ich werde die Überreste Ihres
Grillhendls in der Asservatenkammer verwahren?«
    Ohne eine Miene zu verziehen, nahm Morgenstern die
Tüte entgegen. »Die Fotos stecke ich dann wohl besser auch mit ein?«
    Schneidt blickte auf seine Schreibtischplatte, auf der
noch immer die Polaroids wie ein Memory-Spiel ausgebreitet lagen. »Nein, die
Bilder können Sie ruhig bei mir lassen. Im Gegensatz zu Ihrem Hendl gehe ich
bei ihnen davon aus, dass wir sie noch brauchen.« Dann schien er sich einen
inneren Ruck zu geben und fügte unerwartet versöhnlich hinzu: »War schon gute
Arbeit, dass Sie diese Fotos entdeckt haben, Morgenstern.« Er wollte noch
ergänzen: »Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn«, verkniff es sich aber,
obwohl es seiner Ansicht nach extrem gut zur Thematik des Grillhendls gepasst
hätte. Ein solcher Scherz auf Kosten eines Untergebenen hätte dann wohl doch zu
stark gegen die Grundsätze einer motivierenden Personalführung verstoßen.
    »So
eine verdammte Scheiße aber auch!« Morgenstern war außer sich, als er hinter
dem Steuer des hellblauen Audi saß und zusammen mit Hecht von Ingolstadt
Richtung Eichstätt fuhr. Zwar war es bereits Nachmittag, aber die beiden
Ermittler waren dennoch aufgebrochen, um dem grantelnden Chef ihre ungebrochene
Leistungsbereitschaft zu demonstrieren. Zumindest die Hälfte der Wintershofer
Häuser wollten sie heute noch abklappern, so ihr guter Vorsatz, allerdings
machten sie sich immer noch keine Hoffnungen, dass dabei etwas Verwertbares
herauskommen würde. Schneidt hatte an ihnen ein Exempel statuiert, sein Mütchen
gekühlt, so empfanden sie die Besprechung mit ihrem Vorgesetzten.
    »Der alte Sesselfurzer!«, zürnte Morgenstern. »Möchte
wissen, wann der zuletzt an einer ihm unbekannten Haustür geläutet hat.« Bei
ihm selbst war das immerhin erst heute Morgen bei Rosa Aurich in der
Eichendorffstraße der Fall gewesen. Ob sie bei ihr gleich noch einmal
vorbeischauen sollten?
    Aber Hecht war dagegen: »Die wird sich schon rühren,
wenn sich bei ihr im Haus was tut. Für uns hat Wintershof jetzt Priorität. Mit
unserem Boss ist heute nicht zu spaßen.«
    »Das hast du aber nett ausgedrückt«, grinste
Morgenstern gequält. »Also, bringen wir es hinter uns. Je schneller wir in dem
Kaff durch sind, umso eher können wir uns wieder um die richtigen Ermittlungen
kümmern. Diese Klingelkampagne ist ja doch bloß

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