Vogelwild

Wichtiges?«
    »Mein Name ist Morgenstern, ich bin Oberkommissar bei
der Kripo Ingolstadt, und das hier ist mein Kollege, Oberkommissar Hecht. Wir
ermitteln wegen des Todesfalls am vergangenen Donnerstag im Steinbruch, Sie
haben bestimmt davon gehört.«
    »Ja, freilich. Aber was wollen Sie da jetzt
ausgerechnet von mir wissen?«
    »Gar nichts Spezielles. Wir befragen alle
Wintershofer, ob sie am Donnerstagvormittag zufällig etwas Ungewöhnliches rund
um die Steinbrüche gesehen haben. Jemanden, der da nicht hingehörte, der sich vielleicht
sonderbar benommen hat, vielleicht ein Auto, das schnell weggefahren ist. Ist
Ihnen etwas aufgefallen, Herr …?«
    »Oldinger, Oldinger, Walter heiße ich. Aber wieso
braucht man da jetzt plötzlich die Kripo? Ist es da nicht mit rechten Dingen
zugegangen? In der Zeitung stand doch, dass es ein Unfall war?«
    »Ja, hoffen tun wir das alle, Herr Oldinger«, sagte
Morgenstern. »Aber wir wollen es eben genau wissen, und deshalb müssen wir
jetzt hier jeden Stein umdrehen – Anweisung vom Chef.«
    Nur gut, dass Adam Schneidt den letzten Satz und seine
Intonation nicht gehört hatte, mit Sicherheit hätte er ihn als Ausdruck von
Leidenschaftslosigkeit gewertet, wenn nicht gar als Schlimmeres.
    »Wir haben schon ganz Wintershof befragt, aber niemand
hat was gesehen«, war Morgenstern ehrlich, denn insgeheim hoffte er, Oldinger
würde sich dem Vorbild seines Dorfes anschließen, damit die
kriminalpolizeiliche Pflichtübung möglichst rasch ein Ende finden würde.
    Doch zur Überraschung der Ermittler legte der Mann nun
demonstrativ sein bärtiges Kinn in die Hand, dachte kurz nach und sagte dann:
»An Fronleichnam? Da war ich mit dem Hund draußen, so wie jeden Morgen. Muss so
gegen neun Uhr gewesen sein. Wenn mein Timo keinen regelmäßigen Auslauf kriegt,
dreht er mir schier durch. Der braucht viel Bewegung, und mir schadet sie ja
auch nicht.«
    »Um neun Uhr? Dann waren Sie also gar nicht bei der
Prozession?«, schlussfolgerte Morgenstern überrascht. Nach den Recherchen der
vergangenen beiden Stunden war er fest davon ausgegangen, dass jeder
Wintershofer am Kirchenzug durch Eichstätt teilgenommen hatte. Walter Oldinger
schien sich nun als der Ausnahmefall zu erweisen, der die Regel bestätigte.
    »Ach, wissen Sie, ich besuche den Gottesdienst nur,
wenn in unserer kleinen Wintershofer Kirche am Sonntag Messe ist. Alle vier
Wochen also. Das langt doch für mich armen Sünder«, grinste Oldinger. »Meistens
komme ich gerade noch rechtzeitig zum Schlusssegen, den nehme ich dann mit und
kann somit hinterher mit gutem Gewissen zum Frühschoppen gehen.«
    »An Fronleichnam waren Sie am frühen Vormittag
jedenfalls mit dem Hund unterwegs?«, kam Hecht wieder auf die eigentliche
Antwort zurück.
    »Ja, durch die Steinbrüche sind wir gegangen, da haben
wir unsere Stammstrecke. Da kann ich den Timo laufen lassen, ohne dass er mir
einen Hasen oder gar ein Reh aufstöbert, und es geht rauf und runter, was gut
für meinen Kreislauf ist. Na ja, und wenn Feiertag ist, dann ist man da sowieso
ganz für sich allein.«
    »Und an Fronleichnam, da waren Sie dann auch ganz für
sich allein?«, wollte Hecht wissen.
    »Im Großen und Ganzen schon. Es hat ja niemand im
Bruch gearbeitet.«
    Morgenstern war hellhörig und zugleich ungeduldig
geworden: »Herr Oldinger, im Großen und Ganzen interessiert uns hier nicht, uns
interessiert das Kleine, das Besondere, das Detail. Wen haben Sie gesehen?«
    Hecht brachte seinen bisher weitgehend unbenutzten
Notizblock in Position und zückte erwartungsfroh seinen Kugelschreiber.
    Oldinger seufzte auf, begann dann aber zu erzählen:
»Wissen Sie, das hat bestimmt nichts zu bedeuten, aber da war so ein Depp mit
seinem Fahrrad, einem Mountainbike. Sie wissen schon, diese Dinger fürs
Gelände.«
    Morgenstern war empört. Ich bin doch nicht blöd,
dachte er sich wütend, hielt aber den Mund. Hier mussten Prioritäten gesetzt
werden. Es lohnte nicht, sich über Nebensächlichkeiten aufzuregen.
    »Mein Timo läuft also frei herum. Mit dem Burschen
kann ich ja nicht rechnen. Da in den Steinbrüchen fährt kaum jemand mit dem
Fahrrad, weil man sich an den scharfen Steinplatten schnell die Reifen
aufschlitzen kann. Jedenfalls kommt dieser Typ mit Karacho um die Kurve und
rast vielleicht vierzig Meter an uns vorbei. Mein Timo natürlich sofort
hinterher, der reine Jagdtrieb, natürlich wollte er nur spielen, wirklich. Aber
der Mann hat dann mit dem Fuß nach ihm getreten,