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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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vergebliche Liebesmüh.«
    Zornig drückte er aufs Gaspedal. Der alte Audi
beschleunigte – im Unterschied zu Morgensterns behäbigem Landrover mit immer
noch erstaunlicher Kraft –, und im Nu zeigte der Tachometer hundertvierzig
Sachen an. Auf der Bundesstraße Richtung Eichstätt ging es schnurgerade leicht
hinab in ein kleines Tal und auf der anderen Seite ebenso gerade wieder hinaus.
    »Nun reiß dich mal zusammen«, kommentierte Hecht vom
Beifahrersitz aus das Verhalten seines Kollegen. »Oder soll ich fahren? Das
hier ist der Tauberfelder Grund. Siehst du da vorne die Kreuzung? Da hatten wir
schon viele schwere Unfälle, und außerdem wird da oft geblitzt. Das würde uns
heute gerade noch fehlen.«
    Beim Wort »geblitzt« war Morgenstern instinktiv auf
die Bremse getreten. Und keinen Augenblick zu früh, wie sich ein paar Sekunden
später herausstellte, denn tatsächlich hatten sich auf einem kleinen Parkplatz
auf der rechten Seite die Kollegen von der Polizeiinspektion Eichstätt mit dem
Radargerät auf die Lauer gelegt, die Morgenstern und Hecht entdeckten, während
sie ordnungsgemäß langsam an ihnen vorbeifuhren. Sie hatten sogar noch die
Muße, den Streifenbeamten lässig-kollegial zuzuwinken. Einer der
Radarkontrolleure grüßte sogar durch ein kurzes Tippen an den Schild seiner
Schirmmütze zurück, immerhin war der Zivil-Audi allseits bekannt.
    »Da hast du aber wirklich einen guten Riecher gehabt«,
meinte Morgenstern erleichtert.
    »Ach was, keinen Riecher, alles nur Erfahrung«, gab
Hecht voller Genugtuung zurück. »Und Disziplin«, fügte er nach einer Pause noch
grinsend hinzu.
    An
der kleinen Kirche in der Ortsmitte von Wintershof stellten die beiden Beamten
ihren Wagen ab und machten sich dann zu Fuß auf den Weg von Haus zu Haus.
    »So ein Monsterjob! Ich komme mir echt vor wie ein
Staubsaugervertreter«, knurrte Morgenstern. »Oder wie damals bei der Ausbildung
in der Bereitschaftspolizei: Da mussten wir im Herbst die Haussammlung für die
Kriegsgräberfürsorge machen.«
    »Jetzt hab dich nicht so, du Jammerlappen!«, stauchte
Hecht seinen Leidensgenossen zusammen.
    »Ich sag ja schon nichts mehr«, brummelte der zurück.
    Es war kurz nach sechzehn Uhr, als sie endlich die
Befragung starteten, was sich als ziemlich günstig herausstellte, da um diese
Zeit in den meisten Haushalten jemand anzutreffen war. Tagsüber, so erklärte
Hecht seinem Kollegen, seien gerade die Dörfer im näheren Umkreis von
Ingolstadt wie ausgestorben. Manche hätten sich in den letzten Jahren zu
regelrechten Schlaforten entwickelt, in denen »der Hund verreckt« sei, so
Hechts drastische Beschreibung, weil alle Welt im großen Ingolstädter Autowerk
Audi bei der Arbeit war, während sich die alten ländlichen Strukturen in
schleichender Auflösung befanden. Doch in Wintershof gab es noch immer etliche
große Bauernhöfe, auf denen an einem sommerlichen Spätnachmittag reges Treiben
herrschte, weil die Bauern mitten in der Heuernte steckten. Überall standen die
Scheunentore sperrangelweit offen, und zum Teil hatte bereits die abendliche
Stallarbeit begonnen.
    Die Ermittler begannen bei einem großen Hof gleich
neben der Kirche ihre Fragerunde. Nachdem auf das Klingeln an der Haustür
niemand reagiert hatte, wurden die beiden Beamten im Stall fündig. Auf ihre
Fragen hin schüttelte die etwa fünfzigjährige Bäuerin, die mit grünem Overall
und einem Kopftuch bekleidet war, vehement den Kopf. Nein, am
Fronleichnamsvormittag habe sie beim besten Willen keine Zeit gehabt, um in der
Gegend herumzuspazieren, erwiderte sie spitz und machte kein Hehl aus ihrer
Missbilligung, die sie für die moderne städtische Freizeitgesellschaft empfand.
Nach der morgendlichen Stallarbeit sei sie, »wie es sich gehört«, bei der
Eichstätter Prozession mitgelaufen, denn die Wintershofer Katholiken mussten,
wie sie es formulierte, »in die Stadt hinein«. Anschließend habe sie das
Festtagsessen gekocht. »Und etwas anderes werden Sie von den anderen
Wintershofern auch nicht zu hören bekommen, jedenfalls nicht von den
Alteingesessenen«, fügte sie hinzu. »In der Siedlung schaut es freilich anders
aus. Die bleiben am Tag des Herrn bis zum Mittag im Bett und scheren sich einen
Dreck drum.«
    Morgenstern nickte vage und brummelte ein »Hmmm«, das
zustimmend wirken sollte.
    Hecht war es, der nachbohrte: »Und Ihr Mann?
Vielleicht hat der ja etwas gesehen?«
    »Nein, den brauchen Sie nicht zu fragen. Der war erst
im Stall, dann mit

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