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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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und daraufhin hat Timo ihn vor
Schreck wohl ein bisschen in die Hose gebissen.«
    Hecht kritzelte die Aussage mit, so schnell es eben
ging. Immerhin hatte er in der Realschule noch Stenografie gelernt, eine
Kulturtechnik, um deren Erwerb sich Morgenstern auch während seiner
Ausbildungsjahre erfolgreich gedrückt hatte. Wenn er etwas zu protokollieren
hatte, beschränkte er sich auf wesentliche Kernsätze oder auf selektive
Stichpunkte, weil es sonst einfach zu lange dauern würde. Leider führte genau
das bei der späteren Auswertung manchmal zu gewissen Ungenauigkeiten
beziehungsweise Problemen und gelegentlich auch zu ärgerlichen
Missverständnissen. Ab und an bedauerte Morgenstern seine stenografischen
Defizite, meistens aber machten sie ihm nichts aus. Und schon gar nicht jetzt,
wenn er einen Kollegen als seinen persönlichen »Schriftführer« dabeihatte.
    »Ihr Hund hat also einen Radler gebissen?«, fragte
Morgenstern in ernstem Ton nach. Er selbst war durchaus kein Hundefreund und
wusste als Jogger nur zu gut, dass zwischen Hund und Freizeitsportler eine
gottgewollte Erzfeindschaft bestand.
    Walter Oldinger blickte die Kommissare gequält an.
»Nein«, wand er sich, »nicht wirklich gebissen, bloß in die Hose gezwickt.
Glaube ich jedenfalls. Der Mann hat noch nicht mal angehalten, sondern ist
einfach weitergefahren. Dabei hat er mir noch irgendetwas Unfreundliches
nachgebrüllt, und ich habe dann mit Mühe meinen Timo zurückgeholt. Der arme
Kerl war wegen des Fußtritts ja ganz aus dem Häuschen, das können Sie sich ja
sicher vorstellen.«
    »Mmmmh«, machte Morgenstern undefinierbar. »Und von
diesem Radfahrer haben Sie nichts mehr gehört? Das wundert mich aber, denn wenn
mich ein Hund zwicken würde«, er sprach das Wort »zwicken« betont süffisant
aus, »dann würde ich an der nächsten Ecke warten, bis der Hund wieder angeleint
ist, und dann gäbe es für sein Herrchen mal so richtig Ärger.«
    »Das hatte ich, wenn ich ehrlich bin, auch erwartet«,
gestand Oldinger. »Heutzutage hat ja jeder seinen Rechtsschutz. Die Leute
wollen einen wegen nichts und wieder nichts sofort vor den Kadi ziehen. Glauben
Sie mir, ich habe da schon meine Erfahrungen gemacht.«
    »Diesmal ist für Sie ja alles noch gut ausgegangen«,
meinte Morgenstern. »Aber können Sie sich erinnern, wie dieser Radler
ausgesehen hat?«
    »Nicht wirklich, ich habe mich ja voll auf meinen Timo
konzentrieren müssen. Aber so ungefähr könnte ich ihn schon beschreiben.«
    Morgenstern bedeutete Hecht mit einer Handbewegung –
er schrieb mit dem Zeigefinger Buchstaben in die Luft –, dass jetzt ganz
besonders sorgfältige Protokollführung angesagt war.
    »Also, es war ein Mann. Ein Mann mit einem
Mountainbike. Er trug einen Fahrradhelm auf dem Kopf.« Oldinger geriet ins
Stocken.
    »Und? Weiter!«, drängte Morgenstern ungeduldig.
»Alter, Farbe des Helms, was war das für ein Fahrrad, welche Kleidung trug der
Mann? Wir müssen alles wissen. Denken Sie bitte ganz genau nach!«
    Oldinger bohrte sich konzentriert in der Nase, wischte
sich mit einer gewohnheitsmäßigen Bewegung den Zeigefinger an der speckigen
Hose ab und schüttelte dann betrübt den Kopf.
    »Mehr weiß ich wirklich nicht, es war halt so ein
Depp. Vielleicht dreißig Jahre alt?« Fragend schaute er Morgenstern an, der
bereits alle Hoffnung aufgegeben hatte.
    »Woher soll ich das denn wissen?«, knurrte der
Oberkommissar. »Ich war doch nicht dabei.«
    »Also«, Oldinger atmete tief durch, »der Mann war
dreißig … vielleicht auch vierzig. Er hatte eine dunkle lange Hose an und trug
dazu eine blaue Trainingsjacke oder einen Pullover oder so. Aber wegen des
Helmes habe ich nicht viel von ihm erkennen können. Zudem war er viel zu weit
weg.«
    »Und vielleicht war der Mann ja auch noch eine Frau?«,
zischte Morgenstern nur noch mühsam beherrscht.
    Oldinger schaute allen Ernstes nachdenklich. »Nein,
eine Frau war es nicht, glaube ich zumindest. Nein, es war ganz bestimmt ein
Mann, ich habe ja beim Schimpfen seine Stimme gehört.«
    Hecht notierte sich die Telefonnummer von Walter
Oldinger und gab ihm im Gegenzug seine Visitenkarte. »Für den Fall, dass Ihnen
doch noch etwas einfällt«, sagte er kurz angebunden.
    »Und Sie glauben, dieser Radfahrer könnte tatsächlich
etwas mit dem Tod von diesem Mann im Steinbruch zu tun haben?«, fragte Oldinger
plötzlich interessiert.
    »Glauben heißt nichts wissen«, gab sich Morgenstern
jetzt zugeknöpft. »Deshalb suchen wir

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