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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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Leute, die vielleicht etwas gesehen
haben, also Zeugen. So jemanden wie Sie.«
    »Ach so. Na, dann bin ich aber mal gespannt, ob Sie
etwas rausfinden. Jedenfalls gehen Sie Ihre Ermittlungen ja ziemlich gründlich
an.« Mit einer weit ausholenden Handbewegung deutete er auf das Rund der
Nachbarhäuser.
    »Wir sind optimistisch«, log Morgenstern glaubhaft.
»Noch eins: Aus Wintershof war der Radler nicht? Nur für den Fall, dass Sie ihn
vielleicht doch erkannt haben und sich gerade nicht erinnern konnten?«
    »Nein, das wäre mir wirklich aufgefallen.«
    »Na gut, dann gehen wir mal wieder. Nur Ihr Nachbar
fehlt uns noch, dann sind wir hier durch. Oder gibt es noch irgendwo ein Haus
weiter entfernt vom Dorf?«
    »Beim Franz drüben brauchen Sie gar nicht erst zu
läuten, der ist ewiger Junggeselle und gerade auf Kur. Gluck-gluck«, sagte
Oldinger und hielt sich eine imaginäre Flasche vor den Mund, um den Ermittlern
bildhaft zu demonstrieren, dass es hier in welcher Form auch immer um die
Behebung eines Alkoholproblems ging. »Aber wenn Sie ganz genau sein wollen,
dann müssen Sie noch ins alte Forsthaus zu unserem Herrn Professor. Das ist
dahinten am Waldrand, Richtung Langensallach.«
    Morgenstern blickte skeptisch auf seine Uhr.
»Herrschaften, jetzt ist es schon halb acht. Wirklich ein langer Tag heute.« Unentschlossen
schaute er zu Hecht. »Was meinst du, fahren wir noch rüber zu diesem
Forsthaus?«
    »Auf jeden Fall! Jetzt ist es doch sowieso schon egal.
Bis ich daheim in Schrobenhausen bin, ist es eh fast Schlafenszeit. Und ich
will mir von Schneidt nicht noch einmal Schlamperei vorwerfen lassen.«
    »Pscht!«, machte Morgenstern und hielt sich den
Zeigefinger vor den Mund, als er sah, dass Oldinger die Ohren spitzte, um –
Tinnitus hin oder her – Gesprächsfetzen der Ermittler aufzuschnappen. »Also,
holen wir unser Auto, und dann beenden wir dieses traurige Kapitel«, entschied
er.
    Mit einem kräftigen Händedruck und geheucheltem Dank
verabschiedete er sich von Oldinger. Der winkte den beiden noch kurz nach und
wandte sich dann wieder seinem dampfenden Komposthaufen zu. Es dauerte nur ein
paar Sekunden, bis Hecht und Morgenstern einen Schlager aus den 1970ern zu sich
herüberschallen hörten: »Immer wieder sonntags kommt die Erinnerung …«
    »Cindy und Bert«, meinte Hecht fachkundig.
    »Mir kannst du ja alles erzählen.«
    Das
alte Wintershofer Forsthaus war ein romantisches einstöckiges Haus mit
Fenstern, die von grünen Läden umrahmt wurden. In einem von ihnen im ersten
Stock thronte ein großer, rot blühender Geranienstock in einem Topf. Ein
brauner Holzzaun umgab das Anwesen mit seinem weitläufigen Garten, den jetzt,
im Frühsommer, die Akeleien mit blauen und weißen Blüten sprenkelten.
Morgenstern drückte die Klingel, worauf ein sonores »Dingdong« die Gäste
anmeldete. Die Haustür stand weit offen.
    »Einen Moment, ich komme gleich«, schallte es von
innen, und nach kurzer Zeit trat der Hausherr, ein lächelnder, klein
gewachsener Mann kurz vor dem Pensionsalter, in den Garten. Hinter einer
altmodischen, eckigen Brille blinzelten neugierige, wache Augen. Die ergrauten
Haare waren zu einem Seitenscheitel gekämmt, und die Pausbacken verrieten, dass
der gepflegte Herr zum Übergewicht neigte. Zu diesem Eindruck passte es auch,
dass er über heller Hose und weißem Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln eine
grün-weiß gestreifte Kochschürze trug. Offenbar hatten sie ihn bei den
Vorbereitungen für das Abendessen gestört.
    »Guten Abend, was verschafft mir die Ehre?«
    Wie schon Dutzende von Malen vorher erläuterte
Morgenstern kurz und knapp, worum es ging.
    Der Mann hörte konzentriert zu und legte dann die
Stirn in Falten. »Entschuldigen Sie bitte, aber kann ich kurz Ihren
Dienstausweis sehen?«
    »Da sind Sie jetzt tatsächlich der Erste in ganz
Wintershof, der danach fragt«, stellte Morgenstern fest, »aber Sie haben
natürlich recht. Da könnte ja jeder kommen.« Er zog seinen Geldbeutel aus der
Hosentasche und klappte ihn auf. Der Mann bückte sich und besah sich den
Ausweis ganz genau.
    »Morgenstern, Oberkommissar«, murmelte er. Als Hecht
ebenfalls nach seinem Ausweis kramte, winkte er ab. »Nichts für ungut. Ich
glaub’s Ihnen schon. Aber sicher ist sicher. Gerade wenn man wie ich und meine
Frau ein bisschen abseits wohnt. Da kann eine kleine Portion Misstrauen nicht
schaden.«
    »Das stimmt«, pflichtete Morgenstern ihm bei.
    »Sie sind also Professor, hat uns vorhin ein

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