Vogelwild
Unterschied zu meiner GmbH, wenn es um einen Auftrag geht.«
»Interessant.« Morgenstern staunte über die
Professionalität, mit der die Sammlerszene agierte. »Und wo fand dieses
Geschäftstreffen am Mittwoch mit Herrn Önemir statt?«
»In der Regel machten wir das bei ihm in Eichstätt, in
seinem Haus, aber dieses Mal wollte er, dass wir uns direkt im Steinbruch, in
seinem Unterstand treffen, abends um acht, nach Feierabend.«
Hecht notierte die Uhrzeit auf seinen Spiralblock, was
Krawinkel deutlich verunsicherte.
»Vielleicht sollte ich doch meinen Anwalt …?«,
murmelte er.
»Das bleibt Ihnen selbstverständlich selbst
überlassen, Herr Krawinkel, aber ich finde, wir sollten unser kleines Gespräch
nicht unnötig verkomplizieren«, beschwichtigte ihn Morgenstern.
»Nun, wenn Sie meinen. Ich bin dann also in die
Steinbrüche rübergefahren. Das Auto habe ich auf einem Feldweg hinter ein paar
Bäumen abgestellt und bin das letzte Stück zu Fuß gegangen. Önemir war bereits
da, sonst zum Glück niemand, denn solche Geschäfte benötigen Diskretion. Das
können Sie sich ja denken. In seinem Schuppen hatte Önemir seinen Brotzeittisch
frei geräumt, auf dem seine Fossilien lagen.«
»Und? Was hatte er diesmal im Angebot?«, fragte
Morgenstern gespannt.
»Wirklich schöne Sachen. Eine Schildkröte, einen
Mondfisch und ein paar Platten, bei denen man noch nicht recht weiß, was genau
nach der Präparation rauskommt.« Morgenstern war klar: Auf dem Tisch musste die
gesamte Polaroidparade ausgebreitet gewesen sein.
»Und der Urvogel?«, fragte Hecht über seinen
Notizblock hinweg.
»Den hatte er nicht da, jedenfalls nicht im Original:
Nur ein Foto von ihm, noch nicht einmal ein besonders gutes. Aber meiner
Meinung nach war es eindeutig ein Archaeopteryx, obwohl ich einen Moment
tatsächlich auf einen Ramphorynchus getippt habe.«
»Einen was?«, fragte Hecht, der sich rechtschaffen um
eine korrekte Protokollführung bemühte.
»Einen Ramphorynchus, einen Flugsaurier. Die sind auch
sehr selten, aber natürlich nichts gegen einen Archaeopteryx. Doch das, was ich
bei Önemir gesehen habe, war ein Urvogel, ganz zweifellos.«
»Und Önemir war sich auch sicher, dass es ein
Archaeopteryx war?«, wollte Morgenstern wissen.
»Ach, der doch sowieso nicht. Der ist ein echter
Fuchs, tut mir leid, ich meine, er war ein echter Fuchs. Dem konnte so leicht
keiner was vormachen.«
»Wie haben Sie auf den Urvogel reagiert?« Morgenstern
war mit der Erzählung noch nicht zufrieden.
»Ich war natürlich wie vom Donner gerührt. Da sammelt
man jahrzehntelang Fossilien, hat fast alles, was wichtig und wertvoll ist, in
mühevoller Kleinstarbeit zusammengetragen, und dann bekommt man auf einmal so
ein Angebot. Ich muss gestehen, die Versuchung war groß.«
»Und was hat Önemir für den Vogel verlangt?«,
erkundigte sich Hecht.
»Ich habe ihn aus Neugierde gefragt, ja. Er wollte
vierzigtausend Euro.«
Morgenstern stieß einen leisen Pfiff aus, während
Hecht die Zahl in seinen Block kritzelte.
»Haben Sie schließlich etwas gekauft?«
»Den Archaeopteryx jedenfalls nicht, wenn Sie darauf
hinauswollen. So weit habe ich mich dann doch noch im Griff, Herr Kommissar.
Aber der Mondfisch und natürlich die Schildkröte, ein ganz hervorragendes
Stück, befinden sich jetzt in meiner Sammlung.«
»Und wo liegen die beiden Fossilien jetzt?«,
erkundigte sich Morgenstern neugierig.
»Die sind unten im Keller in meiner Werkstatt und
warten darauf, von mir präpariert zu werden. Das ist eine schöne Arbeit für
lange Winterabende. Dafür braucht man viel Zeit und Geduld. Ich mache das ganz
behutsam – mit einer ausrangierten Zahnarztausrüstung, die mir ein Freund des
Hauses schon vor Jahren günstig abgetreten hat. Man kennt sich halt hier in
Ingolstadt, wir spielen zusammen Golf.«
Morgenstern hörte schon nicht mehr hin, die
Golfklüngelei interessierte ihn nicht: »Und der Urvogel, was wurde aus dem?«
»Önemir verzog keine Miene, als ich abgelehnt habe.
Ich glaube, er hat geahnt, dass er den nicht so leicht an den Mann bringen
würde. Zu heiße Ware. Er hat auch angedeutet, dass, wenn ich es mir noch anders
überlegen würde, vierzigtausend Euro vielleicht nicht sein letztes Wort wäre.
Außerdem hat er angedeutet, dass er für den Abend noch weitere Interessenten
erwartete.«
»Herr Önemir hatte also Sprechstunde«, folgerte
Morgenstern. »Aber er hat Ihnen nicht zufällig verraten, wen er noch
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