Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
Vom Netzwerk:
eingeladen
hatte?«
    »Nein, wo denken Sie denn hin! Man konnte immer nur
spekulieren, welcher von den Sammlern ebenfalls Kontakt zu Önemir hatte.
Manchmal kam es vor, dass ich bei einem Kollegen ein Stück entdeckte, das mir
selbst zuvor angeboten worden war. Aber natürlich kann es auch über Umwege zu
demjenigen gelangt sein. Unsere Kontakte sind uns heilig. Wer zu viel schwätzt,
für den kann so eine Quelle schnell versiegen.«
    »Und wie haben Sie Mustafa Önemir immer bezahlt? In
bar?«
    »Sie sind ja ganz schön neugierig, Herr Morgenstern,
aber von mir aus, das gehört zu Ihrem Job: Logisch hat er das Geld immer in bar
bekommen. Bei solchen Geschäften gibt es nichts Schriftliches.«
    »Als Sie anschließend den Steinbruch wieder verlassen
haben, ist Ihnen da irgendetwas aufgefallen? Vielleicht ein Auto? Denken Sie
bitte scharf nach. Immerhin sind Sie vorläufig der Letzte, der Önemir lebend
gesehen hat. Da wäre es nicht nur für uns, sondern auch für Sie äußerst
hilfreich, wenn sich noch weitere Zeugen finden ließen, die ihn nach Ihnen
besucht haben.«
    Krawinkel schaute Morgenstern mit großen Augen an.
»Sie denken, Sie können mir da was anhängen?«, stammelte er.
    Morgenstern schwieg, nickte aber ganz langsam. Er
wusste, dass es nicht ganz fair war, Krawinkel so in die Enge zu treiben. Schließlich
hatte die Autopsie eindeutig ergeben, dass Önemir erst am Donnerstagmorgen zu
Tode gekommen war. Krawinkel hatte ihn also rund zwölf Stunden vorher gesehen.
Es sei denn – Morgenstern durchfuhr die Idee wie ein Blitz –, Krawinkel hätte
ihm noch ein zweites Mal einen Besuch abgestattet. Wie sicher war es denn
wirklich, dass sich ein Sammler von Krawinkels Kaliber so einfach einen
Archaeopteryx durch die Lappen gehen ließ? Selbst wenn er ihn niemandem zeigen
konnte, so würde doch der schiere Besitz eine gigantische Genugtuung für ihn
sein. Und vierzigtausend Euro waren für einen gut situierten Ingolstädter
Unternehmer bestimmt nicht das entscheidende Kriterium, grübelte Morgenstern.
    Auch Krawinkel dachte fieberhaft nach. »Sie wollen mir
also tatsächlich einen Mord anhängen?«, fragte er dann ungläubig.
    »Nun machen Sie mal halblang, Herr Krawinkel«, sagte
Morgenstern. »Niemand will Ihnen etwas anhängen. Uns liegt einzig und allein
etwas an soliden Informationen, und Sie sind nun mal ein Zeuge.« Morgenstern
machte eine kleine Pause und fügte dann kaum hörbar hinzu: »Vorerst
jedenfalls.«
    »Na gut, also, ich bin raus aus dem Steinbruch, aber
da war niemand sonst mehr in der Nähe«, sagte Krawinkel schließlich. »Ein Auto
wäre mir bestimmt aufgefallen. Nein, ich war ganz allein.«
    »Sie sind sich also ganz sicher, Herr Krawinkel, dass
dieser besagte Urvogel Archaeopteryx nicht gerade jetzt, in diesem Augenblick,
unten im Keller in Ihrer kleinen, privaten Präparationswerkstatt liegt?«, ging
Morgenstern in die Offensive.
    Krawinkel reagierte aufrichtig beleidigt: »Jetzt habe
ich aber langsam die Nase voll von Ihren haltlosen Verdächtigungen. Ich spreche
mit Ihnen so offen, wie es möglich ist, bringe mich sogar in Teufels Küche mit
meiner Ehrlichkeit, und Sie wollen mir ums Verrecken nicht glauben.« Krawinkel
atmete tief durch. »Ich habe diesen Urvogel nicht, das schwöre ich Ihnen. Und
der Tod von Herrn Önemir tut mir aufrichtig leid, und das wird meinen
Sammlerkollegen übrigens nicht anders gehen. Erst heute Vormittag habe ich
deswegen mit einem Freund telefoniert. Wir sind alle sehr betrübt darüber, was
passiert ist.«
    »Das sind wir auch«, fügte Morgenstern – vielleicht
etwas zu ironisch – hinzu. »Tatsache ist aber, dass wir herausfinden müssen,
wer sich alles von Önemir diesen Vogel hat zeigen lassen. Und Sie, Herr
Krawinkel, werden uns dabei helfen.«
    »Wieso ich?« Krawinkel war überrascht. »Ich werde doch
keinen Sammler bei der Polizei verraten, ich dachte eigentlich, ich hätte mich
klar ausgedrückt?«
    »Nun, das müssen Sie für sich entscheiden. Aber lassen
Sie sich beim Überlegen nicht zu viel Zeit, ansonsten könnten wir in die
Versuchung geraten, dem Oberstaatsanwalt einen Hinweis auf die unklare Herkunft
Ihrer Sammlung zu geben. Ich sage nur: Unterschlagung, Hehlerei. Und so eine
Hausdurchsuchung kann wirklich unangenehm sein.« Morgenstern wandte sich dem
offenen Kamin zu, pflückte die postkartengroße Versteinerung im Holzrahmen vom
Sims und drehte sie betont nachlässig in den Händen: »Wie mir scheinen will,
haben Sie im

Weitere Kostenlose Bücher