Vogelwild
Schlafzimmer aufhingen, würde ihn doch keiner sehen, und
Sie hätten jeden Tag Ihre Freude dran.«
»Nein, nein, da kennen Sie uns Sammler aber schlecht.
Wir hängen unsere Neuerwerbungen zwar nicht an die große Glocke, ganz gewiss
nicht, aber Spaß macht es wiederum nur dann, wenn man seine Sammlung zumindest
hin und wieder einigen Gleichgesinnten zeigen kann, am besten hier im Salon bei
einem Glas Cognac und einer guten Zigarre. Hier haben schon ganz unvergessliche
Abende stattgefunden. Ganz im Dienste der Wissenschaft, versteht sich.«
»Natürlich, und was würden Sie tun, wenn Ihnen jemand
einen Archaeopteryx zum Kauf anbieten würde? Rein theoretisch?« Hecht ließ
nicht locker.
Krawinkel zögerte einen Moment, und Morgenstern
glaubte, ein nervöses Flackern in seinen Augen bemerkt zu haben: »Ich würde mir
das Fossil ansehen, aus reiner Neugier. Und dann würde ich dem Anbieter, wenn
er denn in den Steinbrüchen arbeitet, dringend empfehlen, das gute Stück bei
seinem Chef abzuliefern. Unter meinen Freunden gibt es niemanden, der sich eine
solche Laus freiwillig in den Pelz setzen würde. Viel zu heiße Ware.«
»Sie kennen sich also gut aus in der Sammlerszene.
Würde Ihnen, bei nochmaligem Nachdenken, nicht doch jemand einfallen, der
weniger Skrupel hätte als Sie?«, fragte Morgenstern.
»Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich einen
meiner Kollegen oder meiner Freunde verpfeifen würde? Ich muss doch schon sehr
bitten«, empörte sich Krawinkel. »Ich sage immer: Der größte Schuft im ganzen
Land, das ist der Denunziant. Aber wenn Sie es unbedingt noch einmal hören
wollen: Nein, ich kenne niemanden, der bei einem Urvogel zugreifen und sich die
Finger verbrennen würde. Einen Archaeopteryx würde keiner von uns nehmen, nicht
einmal geschenkt.«
»Aber ansehen würde ihn sich wahrscheinlich jeder
wollen«, vermutete Hecht. »Jetzt mal Klartext: Wissen Sie von jemandem, der in
jüngster Zeit einen Urvogel zu sehen bekommen hat?«
Wieder war da das Flackern in Krawinkels Augen –
diesmal unübersehbar. Er atmete tief durch: »Meine Herren, ich will Ihnen
nichts vormachen: In der vergangenen Woche wurde mir selbst ein Archaeopteryx
angeboten. Drüben in Eichstätt.«
Die beiden Ermittler hielten den Atem an. Es dauerte
einen Moment, bis sich Morgenstern wieder gefangen hatte »Und das erzählen Sie
uns jetzt erst, nachdem wir schon eine Viertelstunde hier sind?«, wollte er
wütend wissen.
»Sie haben mich ja erst jetzt gefragt«, patzte
Krawinkel zurück. »Brauche ich jetzt meinen Anwalt?«
»Wir wollen’s mal nicht gleich übertreiben«, beruhigte
ihn Morgenstern wieder gefasster. »Aber das hängt ganz davon ab, was Sie uns zu
berichten haben. Also der Reihe nach: Wer hat Ihnen diesen Urvogel wann, wo und
warum angeboten, und wie haben Sie darauf reagiert?« Morgenstern war selbst
ganz überrascht von diesem Fragenstakkato, das ihm so ungewohnt flüssig über
die Lippen kam. Hecht hielt bestens vorbereitet schon Block und Stift bereit.
Krawinkel räusperte sich kurz und begann mit für seine
Verhältnisse überraschend leiser Stimme: »Also, es war am vergangenen
Dienstagnachmittag, da hat in der Firma mein Handy geklingelt. Herr Önemir aus
dem Schredl-Steinbruch war dran. Er hat mir mitgeteilt, dass er gerade ein sehr
interessantes Sortiment von Fossilien zusammengestellt hat, und gefragt, ob ich
es sehen will. Sie müssen wissen, dass Önemir immer wieder regelrechte
Kollektionen angeboten hat. Anscheinend ist er als Zwischenhändler tätig
gewesen, alleine hätte er so viele Sachen in dieser Qualität jedenfalls nie und
nimmer finden können.« Krawinkel trat an eine hohe gläserne Vitrine voller
Fossilien: »Das hier sind fast alles Stücke von Önemir, Gott hab ihn selig. Der
hatte immer ein Händchen für gute Ware. Aber leider wusste er auch, was seine
Sachen wert waren. Ich hatte immer den Eindruck, dass er zu Hause
paläontologische Fachliteratur studierte, so gut wusste er Bescheid. Ist das
nicht erstaunlich für einen türkischen Steinbrucharbeiter aus dem hintersten
Anatolien? Jedenfalls musste man mit ihm so zäh verhandeln wie mit keinem
anderen. Ein cleverer Geschäftsmann.«
»Und dann haben Sie sich mit ihm getroffen?«, fragte
Hecht.
»Ja, am Mittwochabend. Bei Önemir musste es immer
schnell gehen. Wenn ich da lange gezögert hätte, wären die besten Stücke schon
weg gewesen. Meine Sammlerkollegen und ich sehen uns da als Wettbewerber. Da
gibt es keinen
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