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Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Titel: Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert E. Howard
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von Licht durchflutet, obwohl es im gesamten Haus dunkel gewesen war, als wir es betreten hatten.
    Das Licht strahlten sieben schwarze Kerzen aus, die in regelmäßigen Abständen auf dem großen Ebenholztisch standen, und auf diesem Tisch, zwischen den Kerzen – ich hatte geglaubt, auf diesen Anblick vorbereitet zu sein. Aber nun, durch die unheimliche Beleuchtung und beim Anblick dieses Körpers auf dem Tisch, verließ mich beinahe meine ganze Entschlossenheit. John Grimlan war in seinem Leben kein attraktiver Mann gewesen – aber im Tode war er abscheulich. Ja, er war abscheulich, obwohl sein Gesicht gnädigerweise von einem eigenartigen Seidenumhang mit fantastischem, vogelähnlichem Muster bedeckt war, der auch den Rest seines Körpers verhüllte – einzig seine gekrümmten, klauenartigen Hände und seine nackten, geschundenen Füße lagen frei.
    Conrad machte ein würgendes Geräusch. »Mein Gott!«, flüsterte er. »Was ist hier los? Ich habe seine Leiche auf den Tisch gelegt und die Kerzen aufgestellt, aber ich habe sie nicht angezündet, und diesen Umhang habe ich auch nicht über ihm ausgebreitet! Und er trug Pantoffeln, als ich gegangen bin …«
    Er hielt plötzlich inne. Wir waren nicht allein in dem Todeszimmer.
    Wir bemerkten ihn zunächst nicht, weil er in einem großen Ohrensessel in einer entfernten Ecke des Zimmers saß, so still, dass wir ihn für den Schatten eines Wandteppichs hielten. Als ich ihn jedoch sah, verspürte ich ein Gefühl der Übelkeit in der Magengegend. Zuallererst fielen mir seine lebhaften, schräg liegenden gelben Augen auf, die uns ohne ein Blinzeln anstarrten. Der Mann erhob sich, begrüßte uns mit einer tiefen Verbeugung und einem »Salaam«, und wir erkannten, dass er aus dem Orient stammte. Wenn ich heute versuche, ihn mir vorzustellen, dann finde ich in meiner Erinnerung kein genaues Bild von ihm. Ich erinnere mich nur noch an seinen stechenden Blick und den gelben, fantastischen Umhang, den er trug.
    Mechanisch wiederholten wir seinen Gruß. Dann sagte er mit leiser, klarer Stimme: »Meine Herren, ich muss Sie um Verzeihung bitten! Ich habe mir die Freiheit erlaubt, die Kerzen anzuzünden – wollen wir nun nicht mit der Erfüllung der letzten Wünsche unseres gemeinsamen Freundes fortfahren?«
    Er deutete kurz auf die stumme Masse auf dem Tisch. Conrad nickte, offensichtlich nicht in der Lage, zu sprechen. Uns kam gleichzeitig der Gedanke, dass auch dieser Mann einen versiegelten Umschlag erhalten hatte – aber wie konnte er so schnell zu Grimlans Haus gekommen sein? John Grimlan war seit nicht einmal zwei Stunden tot, und unseres Wissens wusste sonst niemand von seinem Ableben. Und wie hatte er in das verschlossene, verriegelte Haus eindringen können?
    Die ganze Geschichte war äußerst grotesk und völlig surreal. Wir stellten uns weder vor noch fragten wir den Fremden nach seinem Namen. Er übernahm mit sachlicher Bestimmtheit das Kommando. Wir waren so in unserem Schrecken und unseren Vorstellungen gefangen, dass wir uns wie in Trance bewegten und die Anweisungen, die er in leisem, respektvollem Ton aussprach, unwillkürlich ausführten.
    Ich stand an der linken Seite des Tisches und blickte über die grausame Last, die er trug, zu Conrad hinüber. Der Orientale stand mit verschränkten Armen und gesenktem Kopf an der Stirnseite, und es kam mir damals keineswegs seltsam vor, dass er dort stand und nicht Conrad, obwohl er doch vorlesen sollte, was Grimlan niedergeschrieben hatte. Mein Blick fiel auf die Abbildung, die in Brusthöhe auf dem gelben Seidenumhang des Fremden zu sehen war – eine seltsame Figur, die einem Pfau glich, einer Fledermaus oder einem fliegenden Drachen. Ich stellte verwundert fest, dass sich dieselbe Figur auch auf dem Umhang wiederfand, mit dem der Tote bedeckt war.
    Die Türen waren verschlossen, die Fenster verriegelt. Conrad öffnete mit zitternden Händen den kleineren Umschlag und schüttelte die Pergamentseiten auseinander, die sich darin befanden. Die Blätter schienen viel älter zu sein als die in dem größeren Umschlag, auf denen die Anweisungen an Conrad geschrieben standen. Conrad begann mit einer monotonen Stimme zu lesen, die auf seine Zuhörer hypnotisierend wirkte, sodass sich der Kerzenschein immer wieder vor meinen Augen trübte, und das Zimmer und alles darinnen zu einer seltsamen, riesigen Masse verschwamm, die sich zu einer verschleierten Halluzination verzerrte. Das meiste, was Conrad vorlas, war

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