Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
unter seinen halb gesenkten Lidern flammten seine Augen in teuflischem Triumph auf. Ich wusste, dass er unter seiner undurchdringlichen Fassade von höllischer Schadenfreude erfüllt war – aber weshalb – weshalb?
Ich wusste, dass in dem Augenblick, da das Erlöschen der letzten Kerze das Zimmer in völlige Dunkelheit tauchen würde, etwas unbeschreiblich Abscheuliches passieren würde. Conrad kam allmählich zum Ende. Seine Stimme erreichte mit einem ungeheuren Crescendo den Höhepunkt.
»So ist er nun gekommen, der Augenblick der Abrechnung. Die Raben schwingen sich auf. Die Fledermaeuse steygen in den Himmel. Die Sterne stehen wie Totenschaedel am Himmel. Seele und Koerper, beyde sind sie versprochen, und so sollen sie nunmehr uebergeben seyn. Nimmermehr werden sie zum Staube, noch kehren sie zu jenen Elementen zurueck, aus denen das Leben erwachset …«
Die Kerze flackerte leicht. Ich wollte schreien, aber aus meinem offen stehenden Mund drang nur ein tonloses Jammern; ich wollte fliehen, aber ich blieb nur wie angewurzelt stehen, vermochte nicht einmal die Augen zu schließen.
»Der Abgrund, er tut sich nun auf, und die Schuld, sie muss beglichen seyn. Das Licht versaget, die Schatten versammeln sich. Es gibt keynen Gott, nur das Boese; keyn Licht, nur die Finsternis; keyne Hoffnung, nur die Verderbnis …«
Ein hohles Grollen hallte im Zimmer wider. Es schien von dem Ding zu stammen, das unter dem Umhang auf dem Tisch lag! Der Umhang zuckte unruhig.
»Oh, Fluegel in schwaerzester Finsternis!«
Ich erschrak heftig; aus den hereinbrechenden Schatten war ein leises Rascheln zu vernehmen. Die dunklen Wandteppiche? Es klang wie das Rauschen gigantischer Flügel.
»Oh, rote Augen in den Schatten! Was eynst versprochen ward, was im Blute geschrieben steht – es ist erfuellt! Das Licht ist umgeben von schwaerzester Finsternis! Ya – Koth!«
Plötzlich erlosch die letzte Kerze, und ein grauenhafter, unmenschlicher Schrei ertönte, der uns bis aufs Mark erschütterte, aber weder aus meinem noch aus Conrads Mund kam. Der Schrecken schwappte über mich hinweg wie eine eiskalte schwarze Welle, und in der blinden Dunkelheit hörte ich, wie mir selbst ein entsetzlicher Schrei entwich. Dann fegte ein Wirbelwind mit einem Rauschen durch das Zimmer, der die Wandbehänge auffliegen ließ, Stühle durch die Luft schleuderte und Tische mit einem Krachen zu Boden warf. Für einen Augenblick brannte ein grässlich beißender Geruch in unseren Nasen, und ein leises Kichern verspottete uns aus der Finsternis; dann legte sich die Stille wie ein Leichtuch über uns.
Irgendwo fand Conrad eine Kerze und zündete sie an. In ihrem schwachen Schein sahen wir das fürchterliche Durcheinander im Zimmer, sahen das Entsetzen auf dem Gesicht des anderen und den schwarzen Ebenholztisch – er war leer! Fenster und Türen waren nach wie vor verschlossen, aber der Orientale war verschwunden – ebenso wie die Leiche von John Grimlan.
Mit dem verzweifelten Kreischen der Verdammten brachen wir die Tür auf und stürzten in vollem Lauf die Treppe hinunter, die uns wie ein langer Schacht vorkam, in dem uns die Dunkelheit mit ihren feucht-kalten Fingern packte. Als wir in den unteren Flur stolperten, durchschnitt ein greller Lichtschein die Dunkelheit, und der Geruch von brennendem Holz drang zu uns herüber.
Die Haustür unterbrach unsere rasende Flucht für einen Moment, aber schließlich gab sie nach und wir fielen ins Sternenlicht hinaus. Hinter uns stiegen die Flammen mit lautem Knistern empor, als wir den Hügel hinunterrannten. Conrad blickte über seine Schulter, hielt plötzlich an, drehte sich um, warf seine Arme wie ein Verrückter in die Höhe und brüllte: »Körper und Seele hat er Malik Tous verkauft, dem Satan persönlich, vor zweihundertfünfzig Jahren! Dies war die Nacht der Abrechnung – Mein Gott! – Sieh nur! Sieh doch! Der Teufel hat sich geholt, was sein ist!«
Ich blickte, starr vor Schreck, zurück. In unfassbar kurzer Zeit hatten die Flammen, die nun in die Schatten des Nachthimmels aufstiegen, das gesamte Haus erobert, und das riesige Gebäude glich nun einem einzigen blutroten Inferno. Über dem höllischen Feuer schwebte ein gigantischer schwarzer Schatten. Er sah aus wie eine monströse Fledermaus, und in ihren schrecklichen Krallen baumelte etwas Helles – allem Anschein nach der schlaff herunterhängende Körper eines Menschen. Uns entfuhr ein letzter Schreckensschrei – dann war der Schatten
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