Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
unverständliches Zeug; es bedeutete nichts, und dennoch erfüllten mich allein der Klang und der altertümliche Stil der Worte mit unerträglichem Schrecken.
»Zur Erfuellung des Vertrages, der da steht geschrieben an anderer Stelle, schwoere ich, John Grymlann, hiermit im Namen des Namenlosen, dass meynen reynen Glauben ich zu erfuellen gewillt sei. Diesetwegen schreybe ich hier nun mit Blute diese Worte danieder, die eynst zu mir gesprochen wurden in eyner finstren stillen Kammer in eyner toten Stadt mit Namen Koth, die niemals eyne sterbliche Seele außer der meynen erblickte. Eben diese Worte, die ich nun daniederschreybe, sollen dereynst zur auserwaehlten Stunde ueber meynem toten Koerper gesprochen werden, auf dass ich meynen Teyl der Abmachung erfuellen moege, die ich aus meynem freyen Wunsche traf, in umfassendem Wissen und im vollen Besitze all meyner geystigen Kraefte, im Alter von fuenfzig Jahren im Jahre des Herrn 1680. So beginnet nun mit der Beschwoerung:
Vor Anbeginn der Menschheyt gab es seyt sehr langer Zeyt die Aelteren, und auch in heutigen Zeyten lebet ihr Herr noch immer in jenen finstren Schatten, aus denen keyne Menschenseele, die jemals eynen Fuß dort hineynsetzet, je wieder auf diesen Spuren zurueckzufinden vermag.«
Die Worte verschwammen zu einem primitiven Kauderwelsch, während Conrad durch eine unvertraute Sprache stolperte – eine Sprache, die entfernt an die der Phönizier erinnerte, deren furchtbar altertümlicher Klang jedoch einen Schauder in mir erzeugte, den keine jemals auf Erden bekannte Sprache ausgelöst hätte. Eine der Kerzen flackerte und erlosch. Ich wollte sie wieder anzünden, aber der stumme Orientale bedeutete mir mit einer Geste, es nicht zu tun. Sein Blick brannte sich in meine Augen und richtete sich dann wieder auf die stumme Gestalt auf dem Tisch.
Dann kehrten die Worte des Manuskripts wieder zu der verständlichen, altertümlichen Sprache zurück. »… und welch Sterblicher auch die schwarzen Zitadellen von Koth erreychen und mit dem Dunklen Herrscher sprechen moege, dessen Antlitz stets verborgen bleybt, werde doch alldieweyl belohnet mit eynem wertvollen Schatze, mit der Erfuellung all der Wuensche seynes Herzens, mit Reychtuemern und Wissen in unerfasslichem Maße und mit eyner Lebensdauer, die um ein Vielfaches jene aller sterblichen Wesen uebersteyget, und seyen es auch zweyhundert und fuenfzig Jahre.«
Wieder verlor sich Conrads Stimme in den unvertrauten Kehllauten. Eine weitere Kerze erlosch.
»Weychet nicht zurueck, Ihr Sterblichen, wenn die Zeyt nahe ist, dass Ihr Eure Schulden begleychen muesset und das Feuer der Hoelle in Eurem Inneren zu brennen beginnet, wenn ergo die Zeyt der Abrechnung kommet. Denn der Prinz der Finsternis nimmt sich am Ende, was seyn ist, und er laesst sich nicht bethoeren. Was Ihr versprochen habt, das moeget Ihr erfuellen. Augantha ne shuba … «
Bei den ersten Klängen dieser barbarischen Sprache schloss sich die kalte Hand des Entsetzens um meine Kehle. Mit hektischem Blick sah ich zu den Kerzen hinüber und es überraschte mich nicht, dass eine weitere mit einem Flackern erlosch. Und dennoch gab es keinerlei Anzeichen für einen Luftzug – die schweren Wandbehänge rührten sich nicht. Conrads Stimme bebte, er fasste sich mit der Hand an den Hals und würgte ziemlich heftig. Die Augen des Orientalen blieben die ganze Zeit starr.
»… unter den Soehnen der Menschen wandeln auf ewiglich seltsame Schatten. Die Menschen erkennen die Spuren der Krallen, doch nicht die Fueße, die sie hinterließen. Ueber den Seelen aller Menschen breyten sich schwaerzeste Fluegel aus. Es gibt nur eynen Schwarzen Herrn, doch die Menschen nennen ihn Sathan – Beelzebub – Apollyon – Ahriman und Malik Tous …«
Nebel des Schreckens umgaben mich. Entfernt nahm ich Conrads Stimme wahr, die weiterhin das Gelesene herunterleierte; verständliche Worte und Worte in dieser anderen, furchtbaren Sprache, deren entsetzliche Bedeutung ich kaum zu enträtseln wagte. Schreckliche Angst krallte sich in meinem Herzen fest, als ich eine Kerze nach der anderen erlöschen sah. Mit jedem Flackern zog sich die bittere Finsternis enger um uns, und mein Schrecken wuchs. Ich konnte nicht sprechen, ich konnte mich nicht bewegen; meine weit aufgerissenen Augen fixierten mit quälender Intensität die letzte brennende Kerze.
Auch der stumme Orientale am Kopf des grässlichen Tisches machte mir Angst. Er hatte sich weder bewegt noch gesprochen, aber
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