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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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einzige Möglichkeit sein, den Armeen von Sleys, Harabec und Reynes die Zeit zu verschaffen, sich neu zu sammeln und dem Feind entgegenzutreten. Marikani hatte ihm wortlos gelauscht und dann den Brief
des Königs der Sakâs hervorgezogen, den sie jetzt gerade dem Rat vorlas.
    Non’iama stand auf, um besser zu hören, und lehnte sich gegen Arekhs Felsklotz. Arekh legte ihr die Hand auf die Schulter. Die Kleine lächelte ihn an, mit demselben strahlenden Lächeln, das sie ihm geschenkt hatte, als sie sich endlich wiedergefunden hatten.
    Der König der Sakâs schrieb in einem eleganten Stil. Nachdem er der Göttin Komplimente gemacht hatte, erläuterte er, dass sie dieselben Ziele hätten: Er sprach vom Ruf des Gottes, dessen Namen man nicht nannte, und vom Gesang des Abgrunds. Dann wurden seine Worte handfester und weniger philosophisch. Er schlug Ayesha vor, sich ihm anzuschließen, um Reynes anzugreifen und zu plündern, oder zumindest einen Nichtangriffspakt zu schließen, der es ihm gestatten würde, den Großen Zyklus zu vollenden, und ihr, den Ozean in Frieden zu erreichen.
    Eine kurze Pause trat ein, während die letzten Worte noch in der Luft lasteten. Die Sakâs und ihr König waren so lange eine abstrakte Vorstellung geblieben, und nun nahm ihr König plötzlich Gestalt an, erwachte durch Marikanis Stimme zum Leben, war aus Fleisch und Blut. Die drohende Katastrophe war nicht mehr das Werk einer Schar namenloser Krieger, die von den Abgründen gesandt waren. Sie wurden menschlich.
    Marikani legte den Brief weg, und Pier rieb sich mit dem glücklichen Gesichtsausdruck die Hände, den er immer hatte, wenn er eine neue Figur in dem großen Spiel entdeckt zu haben glaubte, das die Götter, die Menschen und das Schicksal miteinander spielten. »Der König ist an der Universität von Reynes erzogen worden«, erklärte er.
»Das merkt man am Stil und an seiner Ausdrucksweise. Ich habe sogar bemerkt, dass er den Weisen Martier zitiert - er hat das Zitat nur leicht abgewandelt, um es seinen Zwecken dienlich zu machen. Wenn ich auf die Archive des Ratsgebäudes zugreifen könnte, könnte ich die Namen seiner Lehrmeister finden.«
    »Was spielt das für eine Rolle?«, fragte Farer. »Was zählt, ist doch der Inhalt seines Briefs.«
    »Die Tatsache, dass er in Reynes erzogen wurde, ist von entscheidender Bedeutung«, widersprach Pier. »Das heißt, dass er die Königreiche ganz genau kennt. Unsere Schwächen, unsere Stärken …«
    »Nicht ›unsere‹ Schwächen«, sagte Marikani eisig. »Eure.«
    Arekh spürte, wie ihn große Kälte überkam.
    Moïri wies auf Non’iama. »Die Kleine erzählt, dass der König von seinem Vater nach Reynes geschickt wurde. Um den Feind besser kennenzulernen, bevor …«
    »Du willst doch wohl nicht etwa annehmen?«, fiel Arekh ihr ins Wort. Er starrte Marikani an. »Du kannst doch seinem Vorschlag nicht zustimmen wollen.«
    Schweigen senkte sich über den Rat. Alle Augen waren auf Arekh gerichtet. Er sah nur Marikani an. Sie musterten einander einen Moment lang wie Gegner.
    »O doch«, sagte sie schließlich. »Ein Nichtangriffspakt. Das ist die beste Lösung.«
    Pier schnappte überrascht nach Luft; die Euphorie verschwand aus seinem Gesicht. Arekh erstarrte. Er spürte Beklemmung in der Brust und suchte nach Worten. »Für euch«, sagte er schließlich. »Aber Reynes wird fallen.«
    »Na und?«
    »Ayesha«, sagte Pier mit sanfter Stimme. »Ich beschwöre
Euch, nachzudenken! Ihr habt hier im Norden keine Feinde. Trotz aller Bemühungen der Ratsherren weigert sich der König von Kiranya ohne Begründung, Truppen gegen Euch auszusenden.« Er musterte Marikani, als warte er auf eine Erklärung. Sie sagte nichts. »Die Invasion der Sakâs ist kein gewöhnlicher Krieg. Wenn Reynes zerstört wird, dann bricht der Schlussstein aus dem Gewölbe unserer Zivilisation heraus. Die Königreiche des Nordens werden als Erste fallen, dann die des Südens. Auch Harabec.«
    Sie sah ihn an und wiederholte: »Na und?«
    »Marikani«, flüsterte Arekh.
    Niemand sagte ein Wort. Marikani hob den Kopf und sah Arekh an. In ihrem Blick lag weder Herausforderung noch Zweifel. Nur eiskalte Entschlossenheit.
    »Irgendwelche Anmerkungen?«, fragte sie und wandte sich dem Herrn der Verbannten zu.
    Dieser zuckte mit den Schultern. »Strategische Entscheidungen sind Eure Sache. Aber haltet mich auf dem Laufenden. Ich habe Geldwerte zu bewegen. Wir sollten …«
    Arekh stand auf und verließ den Steinkreis, ohne sich

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