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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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möglich ist, dass du die Werften verlassen vorfindest. Verstehst du?«, fragte er und spürte, wie er von Gefühlen übermannt wurde, obwohl er wusste, dass er - wenn er die Sphäre der Vernunft verließ - ins Schleudern geraten und jede Chance, sie zu überzeugen, vergeben würde. »Du musst mehr in Erfahrung bringen, deine Optionen abwägen. Wenn du dich so schnell entscheidest, obwohl du nicht alle Fäden in der Hand hältst, dann doch nur, weil du nicht logisch, sondern aus Rache handelst. Weil deine Gefühle dir einen Streich spielen und du vielleicht nicht die beste Entscheidung fällst.« Er spürte, wie sie schwach wurde und zögerte, wollte seinen Vorteil ausnutzen. »Harabec …«
    Fehler .
    Marikanis Gesicht wurde verschlossen, und Arekh spürte mit wachsender Panik, dass ihm die Kontrolle über das Gespräch entglitt.
    »Harabec ist mir gleichgültig«, sagte sie. »Mir ist egal, was aus den Leuten dort wird. Ich habe zu lange gezögert …« Mit einer wütenden Gebärde drehte sie sich um und stapfte auf die Tür zu. »Meine Entscheidung ist gefallen. Für mein Volk. Verlass dieses Zimmer.«
    »Marikani«, wiederholte Arekh und stand nach wenigen Schritten neben ihr, nahm sie bei der Schulter und zwang sie, sich umzudrehen.
    Jede Vernunft hatte ihn verlassen, sein Blick trübte sich wieder, er wusste nicht, was er sagen oder tun würde. Er strich mit der Hand über die goldbraune Haut des Arms
der jungen Frau, führte sie bis zum Hals, zum Gesicht, streifte ihre Wange. Marikani erschauerte und wollte zurückweichen. Arekh packte sie am Ellbogen, hinderte sie daran, sich zu bewegen. »Dein Volk?«, flüsterte er; das Ringen um Beherrschung ließ seine Stimme heiser klingen. »Hast du dich in letzter Zeit einmal im Spiegel gesehen? Erzähl ihnen, was du willst« - er wies vage nach draußen -, »aber nicht mir. Nicht mir! Hast du dich einfach mal angesehen? Deine Haut ist brauner als meine.« Seine Hand fuhr abermals ihren Arm hinauf und liebkoste ihre Schulter. Dann schob er ihr die Hand ins Haar und ließ lange, dunkle Strähnen zwischen seinen zitternden Fingern hindurchgleiten. »Deine Haare sind dunkler als die der rechtmäßigen Nachkommen des Königshauses von Harabec, und deine Augen … deine Augen sind nicht gerade blau«, schloss er und zwang sich, Luft zu holen. »Und da sagst du, dass das dort draußen dein Volk ist?«
    »Meine Eltern …«
    »Deine Eltern waren vielleicht Sklaven, aber ich möchte wetten, dass sie nicht so blass wie Bara waren. Wie viel Blut des Türkisvolks fließt wirklich in deinen Adern, wenn du so aussiehst? Dein Volk, das deiner Vorfahren … Ist dir bewusst, dass es sicher das meine ist? Du stehst mir näher als denen da!«, rief er und zog sie fester an sich. »Wenn man deine Vorfahren zählen würde, die Sklaven und die freien Menschen …«
    »Dann hätte ich mehr Blut der Königreiche als Sklavenblut in mir? Na und?«, schrie sie. »Weil meine Mutter, meine Großmutter und all meine Vorfahrinnen mehrfach von ihren Herren vergewaltigt worden sind, die ihre Bastarde in Ketten im Stich gelassen haben, soll ich mich auf die Seite der Peitschenschwinger stellen?«

    »Nein«, seufzte Arekh. »Ich sage nur, dass auch wir dein Volk sind. Es besteht keine Wahl zwischen …«
    »Wenn Azarîn mich nicht gerettet hätte, wäre ich mit Ketten an den Füßen aufgewachsen«, zischte Marikani. Sie senkte den Kopf und hob ihn dann wieder. »Die Wahl ist für mich getroffen worden.«
    Wieder herrschte Schweigen. Arekh spürte, dass er verloren hatte. Der Satz klang so endgültig, dass selbst er es bemerkte.
    Er ließ Marikani los, und sie seufzte. Arekh trat einen Schritt zurück. »Gut. Gut. Ich gehe«, sagte er schließlich und hob die Augen gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Marikanis Gesicht sich verhärtete. »Ich werde an die Front gehen. Die Nâlas sind zu mir gestoßen, weil sie zwar nicht unter Manaîns Befehl stehen, aber doch kämpfen wollen. Gegen die Sakâs. Wenn es eine Chance gibt, ihr Land eines Tages wieder aufzubauen, dann …« Er winkte ab; er fühlte sich zu matt, ihr das zu erklären. »Das ist ihr Volk«, sagte er schlicht. »Und meines. Die … die Flüchtlinge wollen mit euch reisen.«
    Marikani zögerte, nickte dann aber. »Sie haben sich uns angeschlossen.«
    »Non’iama …«, fuhr Arekh fort. »Sie wird mit mir kommen wollen, aber … das darf nicht sein.«
    »Ich nehme sie unter meinen Schutz.«
    Arekh nickte. »Halte sie außer

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