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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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»aber weißt du, wie viele andere Kinder ich im Laufe dieser Reise in den Armen ihrer Mütter habe sterben sehen? Die Mütter haben mich angesehen, mich, weil ich sie führte und sie auf mich zählten, weil selbst der Tod ihres Kindes sie nicht in ihrem Glauben wanken ließ, weil sie Vertrauen hatten, weil sie dachten, dass jede meiner Handlungen, jeder meiner Gedanken sie zum Heil führen würde … All diese Toten wohnen in mir, hier «, sagte sie und wies mit braunen, zitternden Händen auf ihre Stirn. Arekh wusste nicht, ob sie vor Wut oder vor Kummer bebten. »Und ihretwegen , für die Lebenden, die noch da sind, handle ich heute. Und wenn ich mit eigenen Händen töten muss« - sie wurde noch lauter -, »wenn ich töten muss, um sie zu retten, dann werde ich töten, und wenn Massaker nötig sind, dann werde ich sie anrichten, verstanden? Weil ich ihnen alles bedeute! Und wenn der einzige Weg, sie zum Ozean zu führen, darin besteht, alles Übrige verbrennen zu lassen, dann soll es doch brennen!« Sie hielt zitternd inne.

    Arekh wandte sich ab und ging nachdenklich einmal um den Tisch herum. Seine Wut war verschwunden, als hätte Marikanis Zorn sie aufgesogen und verschlungen. Sein Verstand war kalt und klar. Manchmal - so hatte der Ratsherr Im-Ahr erklärt - herrschten in einem Gespräch solcher Hass und solche Heftigkeit, dass man nur wenige Minuten, ja, nur ein paar Sätze hatte, um den anderen zu überzeugen. Dazu musste man sich in den Geist des Gegners versenken, Schlüsse aus seiner Wut ziehen, den Schlüssel finden und ihn im Schloss drehen. Die Konsequenzen spielten kaum eine Rolle.
    Arekh legte die Hände flach auf den Tisch und spürte das Holz unter den Fingern. »Also hast du deine Entscheidung ganz rational getroffen. Nicht aus Rache. Du willst das Beste für sie«, sagte er und wies auf die Tür, ins Freie, auf das Lager draußen.
    »Ja.« Marikani war ebenfalls auf und ab gegangen, blieb nun aber stehen. Sie war Verhandlungen gewohnt und hatte bemerkt, dass Arekhs Tonfall sich verändert hatte.
    »Nicht aus Rache«, wiederholte er. »Du hast diesen Entschluss nicht gefasst, weil du noch Narben von der Folter der Seelenleser trägst, weil der Mann, den du zum Gatten erwählt hattest, dich verraten und ausgeliefert hat, weil jedes Kind, das in den Bergen vor deinen Augen gestorben ist, dir das Herz gebrochen hat und du sie jetzt bezahlen lassen willst. Nicht deshalb.«
    Marikani musterte ihn eine Weile. Dann sagte sie kalt: »Nein.«
    »Du bist also bereit, die Vor- und Nachteile jeder Entscheidung abzuwägen.«
    »Alles ist bedacht«, sagte sie und wandte sich ab.
    »Das stimmt nicht«, erwiderte Arekh gefährlich sanft.
»Mein Argument von eben ist noch gültig. Wenn die Königreiche zusammenbrechen, ist es sehr wahrscheinlich, dass deine Werften nicht einsatzbereit sind, wenn du in Samara ankommst. Es ist gut möglich, dass die Panik die Einwohner in die Flucht getrieben hat und du dich an leeren Kais vor zurückgelassenen, nutzlosen Holzstapeln wiederfindest.«
    »Nicht, wenn wir dort ankommen, bevor …«
    »Du hast keine Ahnung, wie der Krieg sich entwickeln wird - ich auch nicht. Wir können unmöglich vorhersehen, wie das Volk von Kinshara auf den Sturz der Fürstentümer reagieren wird. Du weißt es nicht, ich weiß es nicht, und jede Aussage darüber wäre eine schamlose Lüge. Wenn Reynes fällt, kannst du nicht wissen, was du in Samara vorfinden wirst. Wenn du dagegen eingreifst, um Reynes zu beschützen …«
    Marikani lachte trocken. »Mit Laosimba?«
    »Mit Laosimba, mit Harrakin, mit dem König von Kiranya, mit wem auch immer. Du könntest für deine Hilfe im Gegenzug freies Geleit nach Samara und mehr Arbeiter und Material aushandeln. Finanzielle Hilfe, die Versicherung, dich nicht anzugreifen, während die Schiffe gebaut werden … Warum sollten sie ablehnen? Sie wollen nur eines, dass ihr verschwindet, du, deine Sekte und deine verdammten Rebellen. Glaubst du nicht, dass sie mehr als glücklich wären, euch abziehen zu sehen?«
    »Ich habe schon darüber nachgedacht. Ich habe Verhandlungen in Betracht gezogen. Aber es besteht ein enormes Risiko, dass sie ihre Versprechen nicht erfüllen. Wenn ich eingreife und ein Teil meiner Krieger getötet wird, werde ich geschwächt sein. Wenn sie dann
beschließen, ihren Teil des Handels nicht einzuhalten …«
    Arekh nickte. »Man müsste sie zwingen, bei den Göttern zu schwören. Aber, ja, ein Verrat ist möglich. Genauso, wie es

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