Volk der Verbannten
aufgeschichtet, in dem sich die erstgeborenen Söhne der Familien der Gegend versammelten, um Entscheidungen zu fällen. Marikani saß in der Mitte auf dem größten Felsklotz, der normalerweise dem Ältesten von höchstem Adel vorbehalten war.
Frauen und Kinder kamen und gingen unter dem tiefblauen Himmel, bereiteten Speisen zu, schleppten Wasser. In einem Nebenhof hatten die Verbannten kleine Stände aufgestellt, an denen sie nach strengen Regeln Waffen und Nahrung austeilten. Gesänge ertönten aus dem Lager, in dem Hannaï und die Ayesha-Priesterinnen einen Altar errichtet und gewaltige Tücher in Blau und Gold bemalt hatten, bevor sie die Ritualfeuer entzündet hatten. Nun verbrannten sie Räucherwerk und tanzten.
Pier war an diesem Morgen mit schlechten Nachrichten eingetroffen. Die zweite Armee von Sleys und Kinshara war verschwunden, ganz einfach verschwunden, irgendwo zwischen dem Süden der Weißen Bergkette
und den Maore-Sümpfen. Die Truppen aus Harabec und die Armeen von Reynes, die nach Westen geschickt worden waren, zogen sich in Eilmärschen zu einem Punkt nördlich der Stadt zurück, aber niemand wusste, ob sie zahlreich genug waren, um Reynes zu verteidigen. Eine letzte Schlacht kündigte sich an, und es war sehr wahrscheinlich, dass sie für die Barbaren günstig ausgehen würde.
»Das Feuer der Sakâs hat die Königreiche erfasst«, sagte Pier vor dem Rat in dem halb feierlichen, halb amüsierten Ton, in den er manchmal verfiel. »Königreiche, die die Flamme Harabecs bereits versengt hatte, die am Tag des Großen Opfers die Lande verzehrt hat«, fügte er mit einem Kopfnicken in Richtung Marikani hinzu. »Der Flächenbrand, den die Sakâs entfacht haben, droht, den Rest zu erledigen.«
Marikani nickte, wie um ihm für seine Rede zu danken, und sah dann die Ratsmitglieder an. »Nde Pier, der Gesegnete der Saïj, stammt aus den Fürstentümern«, erklärte sie. »Er war in den Hohen Rat der Stadt Salmyra entsandt, bevor sie fiel, und ist einer der großen Gelehrten der Bibliotheken der Ratsversammlung von Reynes. Ich habe euch zusammengerufen, damit ihr sein Zeugnis anhört - und auch den Inhalt dieses Briefs.«
Sie deutete auf eine kleine Holzrolle, aus der zwei dicht beschriebene Blätter hervorragten. Non’iama saß im Schneidersitz auf dem Boden neben den Steinen und lauschte aufmerksam.
»Die Kleine hier hat viele Gefahren auf sich genommen, um mir diese Botschaft zu überbringen«, erläuterte Marikani. »Sie hat den König der Sakâs persönlich getroffen, und ihr Bericht ist wertvoll.«
Ihr Blick ruhte eine Weile auf Non’iama, als ob die Züge des Kindes in ihr irgendein Gefühl oder vergessene Erinnerungen weckten. Dann schüttelte sie den Kopf.
Als sie sich wieder dem Rat zuwandte, war ihr Gesicht hart. »Die Zusammensetzung dieses Rats hat sich geändert, daher stelle ich alle noch einmal vor. Bara, Day-Yan, Farer und Haîk sind meine Stellvertreter und die Anführer unserer Armee. Pier ist, wie ich schon sagte, Priester und Gelehrter. Ich danke ihm noch einmal dafür, dass er von so weit her gekommen ist. Moïri vertritt die Frauen vom Volk der Verbannten, und ihr Rat ist wie immer kostbar für uns.«
Marikani machte eine Pause und sah den großen, braunhaarigen Mann mit den schwarzen Augen an, der, ganz in Purpur gekleidet, lässig auf dem sechsten Stein saß. Sie machte eine auffordernde Bewegung, als erwarte sie, dass er sich selbst vorstellte.
Der Mann lächelte und beugte sich dann vor. »Was mich betrifft, so kennt ihr mich wohl alle. Ich bin der Herr der Verbannten, und sogar Moïri beugt sich meinem Befehl, nicht wahr, schöne Moïri? Ich werde leider nur kurz bei euch sein, denn morgen breche ich wieder nach Südosten auf. Ich muss noch Geld eintreiben und weitere Mitglieder meines Volkes hierher begleiten. Mit jedem Tag, der vergeht, wird es schwieriger, unsere Außenstände einzutreiben, und die Neuigkeiten, die Pier gebracht hat, sind nicht gerade beruhigend. Ich werde im Hafen von Samara wieder zu euch stoßen.«
»Ich habe dem Herrn der Verbannten angeboten, den Stein des Ältesten mit mir zu teilen«, sagte Marikani. »Unsere beiden Völker sind verbündet und gleichrangig. Aber …«
»Aber ich habe abgelehnt«, sagte der Herr der Verbannten lächelnd. »Ich habe nicht jeden Tag Gelegenheit, am Rat einer Göttin teilzunehmen. Ich will zeigen, dass ich weiß, wo mein Platz ist.«
Marikani warf ihm einen halb gereizten, halb amüsierten Blick zu, und der
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