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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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um ihn geschart. Alle zu Fuß. Harrakin hatte seine Reiter - oder was von
ihnen noch übrig war - zurückfallen lassen und die Armbrustschützen etwas weiter entfernt im Wald postiert. Männer zu Pferde hatten in diesem Meer von Barbaren keine Chance, und die Armbrustschützen konnten auch nichts mehr ausrichten. Dies war ein Kampf zu Fuß. Man musste überleben, durchhalten, noch eine Stunde, dann noch eine, und warten … hoffen …
    Ein Soldat brach neben ihm zusammen. Aus Harabec, aus Reynes, aus dem Emirat? Harrakin wusste es nicht, und es war auch gleichgültig. Er hatte in den letzten Stunden so viele Männer fallen sehen, dass die Gesichter und Uniformen sich in seinem Geist zu einem blutigen Mosaik vermischten. Harrakin stürmte voran, schlug auf einen Sakâs ein, dann auf den nächsten, verwundete, tötete vielleicht. Er hatte keine Zeit, sich die Wirkung seiner Hiebe anzusehen. Er konnte nur auf gut Glück zuschlagen, schreien und die verängstigten Männer um sich scharen.
    Eben hatte es Bewegung bei den Sakâs gegeben: widersprüchliche Befehle, Trupps, die den Rückzug angetreten hatten. Vielleicht hatte Marikani angegriffen. Vielleicht würde der Druck nachlassen.
    Vielleicht …
    Ein weiterer Barbarentrupp griff an, und Harrakin stürzte in einen Strudel der Gewalt, in dem er jedes Zeitgefühl verlor.
     
    Ratsherr Viennes blickte von der Aussichtsplattform auf das Gelände hinunter.
    Sie waren an dem entscheidenden Punkt, an dem das Schicksal in jeder Schlacht in der Schwebe hing. Vor dem Großen Tor waren die Kräfte mittlerweile ausgeglichen.
Die Sakâs waren zwar noch in der Überzahl, aber Ayeshas Raubkatzen hatten das Überraschungsmoment und den Zorn auf ihrer Seite. Die letzten Verteidiger schöpften neuen Mut, griffen an und schlugen blutige Gassen in die Reihen der Barbaren.
    Alles konnte noch gewonnen werden oder verloren gehen.
    Im Innern der Stadt loderten Brände, aber der Strom der Barbaren war aufgehalten worden, und die Soldaten hatten die Tunnel versperrt. Die Sakâs, die durchgekommen waren, sahen sich keine vierhundert Fuß vom Großen Tor entfernt den Wachen der Ratsversammlung und Gilas es Maras’ Männern gegenüber. Viennes musste nicht erst hinsehen, um sich das Gemetzel vorzustellen. Die verängstigten Stadtbewohner schrien und trampelten einander in ihrer Panik gegenseitig nieder, die Sakâs schlugen aufs Geratewohl zu, während die Soldaten sie aufzuhalten versuchten.
    Wenigstens würden die Feinde ihr Ziel nicht erreichen. Die Sakâs waren nur einige hundert: Sie konnten ein Blutbad anrichten, aber sie würden keinen Erfolg haben. Sie würden das Tor nicht erreichen.
    Viennes richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Schlachtfeld.
    Das Schicksal zögerte noch immer. Im Westen drehten die Sakâs sich um, um sich ihren neuen Feinden zum Kampf zu stellen. Vor dem Großen Tor waren ihre Kräfte noch immer ungeordnet und chaotisch, da sie sich nicht recht für einen Gegner entscheiden konnten.
    Und dann ertönte das Horn.
    Ein langer Signalton, der von irgendwo innerhalb des Großen Kreises erscholl. Gefolgt von sieben kürzeren.

    Viennes beugte sich vor, obwohl ihm bewusst war, wie nutzlos seine Bewegung war; er wollte hören, verstehen.
    Der Ton des Horns erstarb.
    Zunächst geschah nichts.
    Dann erklang ein weiterer Ton - noch ein Horn innerhalb einer der Sakâs-Armeen, das die gleiche Melodie aufnahm. Ein langer Ruf, dann sieben weitere.
    Und plötzlich erklangen überall in den Barbarenarmeen Hörner: Sie nahmen das gleiche Klagelied auf, das wie ein Schluchzen klang. Eine Nachricht. Eine Ehrenbezeugung.
    Dann schwiegen die Hörner, und seltsame Stille senkte sich über das Schlachtfeld. Der einzige Lärm kam nun von Ayeshas Raubkatzen, die weiterkämpften und ihre Hiebe mit Gebrüll begleiteten. Vor der Mauer hielten die Männer, die Pilanos anführte, unsicher inne.
    Auch die Sakâs waren stehen geblieben. Natürlich nicht alle. An vorderster Front wurde immer noch gekämpft.
    Die Raubkatzen nutzten das Zögern ihrer Feinde und verdoppelten ihre Anstrengungen.
    Dann erklang weiter östlich ein weiteres Hornsignal aus der dritten Sakâs-Armee. Eine andere Melodie, getragen und tief.
    Langsam trat das Sakâs-Heer den Rückzug an.
    Viennes schnappte nach Luft; er wagte es nicht, seinen Augen zu trauen. Das war zwar nur ein Viertel der Barbarenstreitkräfte, aber …
    Wieder erschollen Hörner, diesmal von überall her, und tauchten das Schlachtfeld in einen seltsam

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