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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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Schritt. Hatte er ihre Reaktion falsch eingeschätzt? Was taten seine Männer? Warum schossen die Armbrustschützen nicht? Würden seine Soldaten einfach untätig zusehen, wie er sich opferte?
    Zehn Schritt.
    Ein Hagel aus Armbrustbolzen ging plötzlich auf die feindlichen Linien nieder, und zehn Pferde stürzten vor Harrakin in den Staub. Nur Soldaten an den Flanken waren getötet worden; Harrakins Männer hatten es vermieden, aufs Zentrum zu zielen, um ihren König nicht zu treffen.
    Waren die Reiter aus Harabec zum Angriff übergegangen? Wenn nicht, würde er binnen weniger Herzschläge sterben.
    Fünf Schritt.
    Eine neue Armbrustsalve. Weitere Tote.
    Die überraschten Blicke seiner Gegner.
    »ARRETHAS!«

    Handgemenge.
    Keine Zeit mehr zum Denken, zum Grübeln. Nur noch Leben, Tod, Eisen und Blut.
    Im letzten Moment hatte Harrakin einen Haken nach rechts geschlagen, um die Feinde, die schon zum Schlag ausholten, zu überrumpeln. Er wurde nicht langsamer, zügelte sein Pferd nicht, sondern vertraute auf die Kraft und das Gewicht seines Reittiers, um sich einen Weg freizuhauen und alles niederzuwalzen. Er duckte sich, um ersten Hieben zu entgehen, und als er den Kopf wieder hob, war er bereits mitten in den feindlichen Reihen. Ein Wald aus Schwertern, Klingen und Speeren ragte über seinem Kopf auf. Also schlug er zu, brüllte Flüche, die niemand hören konnte, lachte vor Freude und schierer Gewalttätigkeit, lachte angesichts der Kraft, die ihn trug, und über seinen eigenen Wahnsinn, schlug Arme ab, zerschmetterte Gesichter und Oberkörper. Blut bespritzte seine Haut und seine Kleider. Er rammte dem Pferd die Sporen in die Flanken, um nicht langsamer zu werden, denn die ständige Bewegung war alles, was ihn am Leben hielt. Die Schlacht und sein Lebensfaden waren zu einer Reihe von Bildern geworden, zu kleinen, verstreuten Szenen: ein Schwert, das er abwehrte, der Aufprall, der seinen Arm erzittern ließ … sein Pferd, das wankte, bevor es wieder nach vorn drängte, während Harrakin ins Fleisch eines Mannes und seines Reittieres schnitt … ein gewaltiger, mit einer Axt bewaffneter Krieger, der mit offenem Mund stumm schrie, während der drohend erhobene Arm sich von seinem Körper löste.
    Harrakins Pferd galoppierte noch immer … Ein Hieb nach rechts, einer nach links. Wieder stolperte sein Reittier und stürzte fast. Harrakin hatte keinen Schwung
mehr, er musste aus dem Handgemenge hinaus. Zu seiner Rechten lichtete sich das Kampfgetümmel … Er wendete sein Pferd und drängte geradeaus, parierte Schläge, teilte selbst welche aus, traf, war blutüberströmt und hatte doch die Schmerzen in seiner linken Schulter so gut wie vergessen. Er wurde von allen Seiten bedrängt, er konnte nicht …
    Eine Bewegung, als ob ein Befehl gegeben worden sei, um auf einen Angriff zu reagieren. Die feindlichen Reiter wichen zurück wie das Meer bei Ebbe, und Harrakin fand sich plötzlich außerhalb des Wassers und fern der Kämpfer wieder; sein erschöpftes Pferd galoppierte ins Leere, bevor es am Rande der Schlucht nahe an der Felswand stehen blieb, während die letzten Gegner sich neu formierten, um sich dem Angriff der Reiter aus Harabec zu stellen.
    Als er sich umdrehte, sah Harrakin einen letzten Angreifer auf sich zustürmen: einen schwarzhaarigen Mann in funkelndem Kettenhemd mit glühenden Augen, der sich aus der Gruppe löste und auf ihn zuhielt.
    Harrakin rührte sich nicht und gab seinem Pferd, das zitterte, noch ein paar Herzschläge Zeit zu verschnaufen … Dann, im letzten Moment, riss er das Tier herum und spießte den Mann mit einem Jubelruf von der Seite auf; der Schwung riss ihn mit, und seine Klinge drang ohne Schwierigkeiten zwischen den Metallringen hindurch. Der Mann ritt mit zerschmetterter Brust weiter, um dann am Rande der Schlucht zu Boden zu stürzen.
    Harrakin drehte sich um und beobachtete die Schlacht.
    Der Leutnant, den zu degradieren eindeutig ein Fehler gewesen wäre, hatte gute Arbeit geleistet. Die Murufersöhne hatten sich rechts formiert und unterstützten mit
ihrem Angriff die Reiter, während die Armbrustschützen von links her schossen, um ihre eigenen Leute nicht zu treffen. Es hieß, dass die Armbrustschützen von Harabec eine besondere Gabe hatten. Angeblich konnten sie mitten in der Schlacht Bolzen abschießen, wenn Freund und Feind in Handgemenge verstrickt waren, und doch nur ihre Gegner treffen, da Arrethas ihre Bolzen führte. Diese Taktik wurde »Arrethasfeuer« genannt und

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