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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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allem bereit vorn postiert, und die zwanzig Armbrustschützen hatten ein Knie zur Erde gebeugt und zielten auf einen unsichtbaren Feind.
    Der Schmerz in Harrakins Schulter rang ihm eine unwillkürliche Grimasse ab. Er hatte schon vor seinem
Aufbruch gewusst, dass diese Reise gefährlich werden würde. Aber er war es sich schuldig, sich nach Reynes zu begeben. Es war notwendig; die Lage war überaus ernst. Er hatte keine Wahl, und er würde sich jetzt nicht von irgendwelchen Banditen den Weg versperren lassen - von Banditen oder von aufständischen Sklaven, menschlichen Raubtieren, die, wie man sich erzählte, auf ihrem Zug plünderten und Zerstörungen und Massaker anrichteten. Es ging sogar das Gerücht, dass Marikani an der Spitze einer dieser Banden stand. Es war angeblich keine bloße Rebellengruppe, sondern eine Flut von Aufständischen, ein ganzes Volk, über das die wildesten Gerüchte in Umlauf waren.
    Nach den ersten Plünderungszügen von Marikanis Banditen hatte Laosimba, der den Seelenlesern in Reynes vorstand, Harrakin einen zornigen Brief gesandt, ganz so, als sei Harrakin zumindest teilweise verantwortlich für die Untaten derjenigen, die er geliebt, geheiratet und dann verraten hatte. Harrakin hatte das Schreiben mit einem amüsierten Schulterzucken ins Feuer geworfen. Sie hätten Marikani eben nicht entkommen lassen dürfen. Was hatten diese Seelenleser denn geglaubt? Dass sie sich in eine Hütte am Ende der Welt flüchten würde, um dort Stickereien anzufertigen und ihre einstigen Sünden zu beweinen? Marikani war vielleicht nicht aus dem königlichen Blut Harabecs geboren, wie alle so lange geglaubt hatten, aber sie war wie eine Prinzessin von Geblüt erzogen worden, und - bei den Göttern! - sie war mutig! Was hatten sie denn sonst von einer Frau erwartet, die Harrakin geheiratet hatte? Um zu verhindern, dass Marikani sich gegen sie wandte, hätten sie ihr gleich die Kehle durchschneiden müssen, die Schwachköpfe …

    Das hätte Harrakin jedenfalls getan, wenn man es ihm gestattet hätte. »Verschone deinen Gegner heute nicht, denn er wird dich morgen gewiss nicht verschonen«, das hatten ihm in seiner Kindheit verschiedene Hauslehrer immer wieder gesagt. Ja, man musste seine Feinde vernichten, selbst wenn man sie schätzte - besonders , wenn man sie schätzte. Harrakin hätte Marikani sofort in einem Keller in Salmyra hinrichten lassen, wenn man ihm eine Wahl gelassen hätte, aber nein, diese Schwachköpfe hatten unbedingt rituelle Folterungen vornehmen wollen und auf einer offiziellen Verurteilung unter dem Dach des Großen Tempels von Reynes bestanden. Gottgewollte Qualen unter dem Blick Fîrs - sie hatten ihre Beute vor allem in den Straßen von Reynes zur Schau stellen wollen.
    Aber ihre Beute war entkommen und piesackte sie nun.
    Und nur wegen dieser Narren und ihrer Eitelkeit befanden Harrakin und seine Eskorte sich jetzt in einer schlechten Position in einer felsigen Schlucht und wurden sicher von einer der Banden aufständischer Sklaven beschossen, die Marikani ausgebildet hatte.
    Von einer Sklavenbande, die im Moment unsichtbar war.
    Immer noch nichts.
    Keine Bewegung.
    Der strahlend blaue Himmel.
    Das Rot der Felsen, wie geronnenes Blut.
    »Sie verfügt über seltsame Kräfte«, flüsterte der Leutnant neben Harrakin. »Die Demeana …« Er senkte die Stimme noch weiter, als hätte er Angst davor, diese Bezeichnung laut auszusprechen. »Es kostet sie nur eine Handbewegung, Feuer und Tod herabregnen zu lassen.
Sie lässt ihre Männer in einem Wirbel aus Staub erscheinen und verschwinden und …«
    Harrakin brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. »Noch ein Wort, und ich degradiere Euch«, zischte Harrakin leise, damit die gemeinen Soldaten nichts mitbekamen. »Dass ein solcher Schwachkopf wie Ihr überhaupt zum Leutnant befördert worden ist, ist eine Schande für unsere Armee!«
    Der junge Mann wurde aschfahl und begann zu zittern. Er befürchtete wohl, mit einem Schlag alles zu verlieren: die Gunst seines Königs, seine Ehre, vielleicht auch seinen Posten. Harrakin musterte ihn weiter und fragte sich, ob es nicht besser gewesen wäre, seiner Drohung sogleich Taten folgen zu lassen und ihn auf der Stelle durch einen Offizier zu ersetzen, der weder feige noch abergläubisch war.
    »Ayashi?«, fragte eine melodiöse Stimme hinter ihnen. »Geliebter, was geht hier vor?«
    »Ich weiß es nicht, Samia. Bleib in der Sänfte.«
    Aber als er sich zum Zentrum der Karawane umdrehte, war die

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