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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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während Samias Hände seinen Oberkörper, seine Hüften und schließlich seine Schenkel liebkosten. Der Wundarzt hatte den Bolzen entfernt und seine Wunde versorgt, aber er hatte bei ihrem Anblick die Stirn gerunzelt. Er hatte verkündet, er könne nicht garantieren, dass die Spitze nicht vergiftet gewesen sei. Er konnte auch nicht mit Bestimmtheit sagen, dass sie vergiftet gewesen war, aber für alle Fälle hatte er Harrakin ein Stärkungsmittel zu trinken gegeben und ihm gesagt, dass er bei guter Gesundheit sei und das dunkle Blut der Götter in seinen Adern ihn schützen würde.
    Der Arm war seitdem taub. Aber vielleicht war das normal.
    »So einfach ist das nicht, Samia«, sagte Harrakin schließlich sanft. Er war ungerecht zu ihr gewesen. Sie tat ihr Bestes, und wenn sie einmal seine Frau werden sollte, dann war es sinnvoller, nicht gleich Misstrauen und Verachtung
in ihrer Beziehung aufkommen zu lassen. »Ja, wir haben sie besiegt. Aber du hast ja gesehen … um welchen Preis. Und unter welchen Schwierigkeiten.«
    Er drehte sich nicht ohne Schmerzen auf den Rücken und versuchte, keinen Druck auf seinen verletzten Arm auszuüben. Draußen im Lager war es still. Sie waren den ganzen Tag geradewegs nach Osten gereist, so schnell wie möglich tiefer ins Landesinnere, so weit weg wie nur möglich vom Gebirge. Aber die Männer waren erschöpft, und so hatten sie bei Sonnenuntergang die Zelte aufschlagen müssen.
    »Wir haben kaum noch eine Eskorte«, seufzte er. »Und wir sind noch nicht in Reynes. Wenn es zu einem neuen Angriff kommt, werden wir ihn nicht abwehren können. Du verstehst nicht, wie knapp wir einer Katastrophe entgangen sind, schöne Samia. Du … das Kind, das du vielleicht unter dem Herzen trägst … Ohne die Hilfe des Arrethas würdet ihr beide nun vielleicht sterbend im Staub liegen.« Die junge Frau blickte entsetzt drein; Harrakin zuckte mit den Schultern. »Und es betrifft nicht uns allein. Ich weiß nicht, wie viele sie sind«, fuhr er fort, indem er seiner Gespielin die Wange streichelte. »Wie viele dort oben warten … Weißt du, was es für das Emirat bedeutet, wenn sie angreifen? Und für Harabec?«
    »Für das Emirat?«, wiederholte die junge Frau verständnislos. »Aber der Emir ist unser Feind. Wenn er fällt, umso besser!«
    Harrakin seufzte und ließ sich wieder auf sein Lager sinken; er spürte, dass seine Gereiztheit zurückkehrte.
    Und jede weitere Bewegung Samias, die sich nun der Innenseite seiner Schenkel widmete, sollte ihn zur Liebe verlocken. Sicher will sie jede Gelegenheit nutzen, spätestens
zur nächsten Konjunktion der Monde schwanger zu werden, wenn sie es jetzt noch nicht ist , dachte Harrakin. Das alles ärgerte ihn nur noch mehr.
    Er schlief dennoch mit ihr und schlummerte danach schnell ein, träumte aber schlecht. Mehrfach fuhr er aus dem Schlaf hoch, weil er glaubte, zu spüren, dass der Boden zitterte.
    Am Ende blieb er wach und starrte zum purpurfarbenen Stoff des Zeltes empor; er zählte die Meilen, die sie bis Reynes noch zurückzulegen hatten.

KAPITEL 5
    Bara legte Marikani die Hand auf die Schulter; sie erstarrte.
    Der Himmel war sehr düster; von den drei Monden leuchtete allein E-Lâ matt am Horizont jenseits des Aschegipfels. Aber sogar seine Helligkeit wirkte wie von den Wolken gedämpft.
    Es war eine drückende, kalte Nacht.
    Plötzlich zog Bara Marikani ohne weitere Umstände zurück. Bevor Marikani auch nur wieder Luft bekam, hatte er sie schon hinter den Stamm einer großen Kiefer gestoßen und sie gezwungen, sich zu ducken.
    So hockten sie auf der Lauer im Herzen des Waldes zwischen Büschen und Zweigen, halb verborgen hinter dem gewaltigen Baumstamm.
    Marikani rührte sich nicht und stieß auch keinen Protestlaut aus. Bara war ihr ständiger Leibwächter geworden, und sie vertraute ihm.
    Sie hatten das Lager zu zweit in der Morgendämmerung verlassen und waren aufgebrochen, um herauszufinden, wie die gemeinschaftlichen Lagerhäuser von Faez bewacht wurden, in denen die Bauern aus den westlichen Landstrichen des Emirats ihre Ernten lagerten. Als sie
sich mit äußerster Vorsicht genähert hatten, hatten sie die Lagerhäuser leer und verlassen vorgefunden. Die Ernte war schon verkauft oder anderswo untergebracht: Die Nachricht von den Plünderungen hatte in den Königreichen die Runde gemacht, und die Provinzgouverneure achteten darauf, Mehl und Handelsgüter nicht mehr an einsamen Orten zu lagern.
    Nachdem sie die Gebäude in Augenschein

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