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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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hatten sie sich mit einem heimlichen Lächeln entfernt. Die Vahas wurden gut bezahlt und hatten als gute Ehemänner gegolten. Ihre Aufmerksamkeit war nie unwillkommen gewesen.
    Aber diese Leichtigkeit, diese Verbindung zu dem Volk, das sie schützten, das Spiel mit der Verführung und dem Risiko, existierten heute nicht mehr. An diesem Morgen hatten die Frauen auf den Straßen es eilig. Die Vahas waren bis zum Zerreißen angespannt. Ihr Blick heftete sich auf einen Passanten nach dem anderen, taxierte jeden. Sie musterten sie wie Adler ihre Beute.
    Und diese drei kamen direkt auf Marikani und Bara zu.
    Marikani ging weiter und spürte, wie Baras Atmung sich beschleunigte. Sie waren in die Enge getrieben. Sie konnten noch nicht einmal in eine Seitengasse abbiegen … Die nächste Kreuzung lag hinter den Soldaten. Sie konnten nicht umkehren, ohne Verdacht zu erregen. Hier gab es auch keinen Markt, auf dem man sich hätte verlieren können: Ringsum waren nur Mauern und Häuser mit verschlossenen Türen.
    Ein Gefühl von Unwirklichkeit und Furcht sorgte dafür, dass Marikanis Magen sich verkrampfte. Das war
so … lächerlich. So weit gegangen zu sein, so viel getan zu haben, so vielen Gefahren entkommen zu sein, um nun in Faez von der erstbesten Patrouille festgenommen zu werden, erschien ihr unmöglich, ja lachhaft. Aber alles war möglich. Die Laufbahn der größten Banditen endete oft aufgrund eines geringen Fehlers. Nachdem sie ganze Paläste geplündert hatten, wurden sie auf frischer Tat ertappt, wenn sie auf dem Markt drei Tomaten stahlen.
    Der Blick des Anführers der Patrouille richtete sich auf Marikani. Er musterte die fremdartige Aufmachung der jungen Frau, den langen Dolch an ihrem Gürtel, ihre kiranyischen Kleider, ihr geflochtenes, hochgestecktes Haar, die Löwinnentätowierung nach Art der Frauen des Nordens um ihre Augen … und Baras seltsames Äußeres. Eine Stoffbahn seines Turbans hing ihm wie zufällig bis vor die Augen.
    Sie waren bemerkt worden. Noch einen Augenblick, und der Offizier würde die Gasse überqueren, auf sie zukommen, Fragen stellen.
    Es gab nur eine Lösung.
    Marikani setzte ihr schönstes Lächeln auf und ging geradewegs auf die Soldaten zu. »Mögen sich die Wärme der Sonne und der Segen der Götter auf euch herabsenken«, sagte sie und verneigte sich; statt ihren südlichen Akzent zu verbergen, ließ sie ihn ganz natürlich in ihrer Stimme durchklingen. »Oh, Vahas, darf ich Euch um Hilfe und um einen Rat bitten?«
    Hinter ihr spürte sie deutlich, wie Bara zögerte und dann seinerseits herüberkam.
    »Ich bin gern bereit, jeder schönen Frau zu helfen«, antwortete der zweite Vahas halblaut und senkte die
Stimme, um noch eine anzügliche Bemerkung hinterherzuschicken.
    Der dritte Vahas, der in vorgerücktem Alter war, wirkte wohlwollend, aber das Gesicht des Patrouillenführers blieb verschlossen, und seine forschenden Augen musterten jeden Zug in Marikanis Gesicht genau.
    »Ich höre, Frau«, sagte er in eisigem Tonfall.
    »Mein Name ist Vashni Mar-Erhinel. Ich stamme aus Harabec«, improvisierte Marikani mit einem warmen Lächeln. Sie deutete auf ihre Tätowierung. »Mein Mann liefert Salz an einen Teil des Hofstaats von Kiranya. Wir haben Lieferschwierigkeiten. Mein Mann ist bei der Armee, und ich muss mit dem Volk der Verbannten sprechen. Ich dachte, ich würde welche auf dem See finden, aber man sagte mir, sie befänden sich in der Stadt …«
    »Ist Euer Mann an die Grenze geschickt worden?«, fragte der Patrouillenführer in etwas sanfterem Ton.
    »Ja. Sie sammeln Männer in der Nähe der Berge … nur für den Fall … Nun ja, Ihr wisst schon.«
    »Ja, wir wissen«, sagte der Mann, der sich vorhin einen Scherz über Marikanis Schenkel erlaubt hatte. Sein Gesichtsausdruck war jetzt ernst, beinahe mitfühlend.
    »Die Verbannten sind auf dem Großen Markt«, sagte der Patrouillenführer.
    »Auf dem Markt?«
    Die Verbannten durften, da sie rechtskräftig Verurteilte waren, keinen Fuß auf festen Boden setzen. Nur das Wasser, das unter Verellas Schutz stand, war ihr Reich. Sie waren von dem Boden »verbannt«, auf dem die übrigen Menschen lebten, und wenn einer von ihnen gegen dieses Gesetz verstieß, wurde er sofort hingerichtet.
    »Auf den Kanälen«, erklärte der Vahas. »Wir haben
ihnen verboten, zum Südufer des Sees zu fahren, weil dort die Flotte ein Manöver abhält. Der Große Markt ist der Platz vor dem Um-Akr-Tempel. Kennt Ihr den Weg dorthin?«
    Der Tonfall

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