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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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abrupt weiter. »Heute Nacht machen wir keine Pause. Ich will, dass wir in weniger als drei Stunden am Pass vorbei sind.«
    Bara folgte ihr kopfschüttelnd. »Ayesha, wir wandern seit dem Morgen. Sie sind erschöpft, seht sie Euch doch an«, sagte er, indem er auf einen Mann und eine Frau von etwa vierzig Jahren deutete; die beiden gehörten zu den Ältesten der Truppe. »Sie können so nicht weiter …«
    Marikani gab nicht nach. »Bara. Vertrau mir. Wenn wir heute Nacht nicht am Pass vorbeikommen, wird morgen vielleicht keiner von uns mehr am Leben sein.« Sie blieb stehen und sah ihn an, blickte mit ihren goldbraunen Augen in die tiefblauen des ehemaligen Sklaven. »Ich weiß, wer diese Wesen dort oben sind. Ich habe gesehen,
wozu sie fähig sind. Das ist vielleicht unsere letzte Chance, vorbeizugelangen. Glaub mir.«
    Die Angst in Baras Augen verwandelte sich in Entschlossenheit. »Gut. Ich werde entsprechende Befehle geben.«
    Er ging einige Schritte auf die Mannschaftsführer zu, die ihre Pferde in diesem schwierigen Gelände am Zügel führten, zögerte dann und drehte sich noch einmal zu Marikani um: »Die Männer, die wir gestern gesehen haben, von denen ich einen getötet habe … Vielleicht waren sie nur Spione.« Er deutete vage auf die orangefarbenen Lichter. »Vielleicht werden sie gar nicht herüberkommen. Vielleicht werden sie westlich der Berge bleiben.«
    »Vielleicht«, flüsterte Marikani. »Vielleicht.«
    Wenn es Götter gegeben hätte, hätte sie nun zu ihnen gebetet.
     
    Die Sonne strahlte über Faez, eine Herbstsonne, die eher funkelte als wärmte. Die Städte des Emirats hatten eine besondere Atmosphäre, eine Harmonie, die man unter Tausenden erkannt hätte: das makellose Blau des Himmels, das reine Weiß der Häuser, das Gold und Mahagoni der Türen und Balustraden, die orangefarbenen, roten und beigefarbenen Vorhänge, die im Wind flatterten - in den Farben des Emirats und zur höchsten Ehre seines Herrschers, Seiner Mächtigkeit des dreifach von den Göttern gesegneten Emirs, dessen Lächeln ewig währte.
    Der Emir war schon Marikanis Todfeind gewesen, als sie über Harabec geherrscht hatte. Nun, da sie ein Volk aus aufständischen Sklaven anführte, nun, da sie die Demeana war, die Feindin jeglicher Zivilisation, wollte sie
sich noch nicht einmal ausmalen, was geschehen würde, wenn sie ihm in die Hände fiel.
    Aber sie brauchte Verbündete.
    Die ehemaligen Sklaven hatten ein neues Lager dreißig Meilen nördlich des Aschegipfels aufgeschlagen, so weit wie möglich vom Pass entfernt. Es gab noch ausreichend Nahrung für drei Tage. Marikani und Bara hatten sie dort unter dem Befehl der Mannschaftsführer zurückgelassen. Sie aufs Neue allein zu lassen, stellte ein bedeutendes Risiko da, aber Marikani hatte keine Wahl.
    Die orangefarbenen Feuer hatten in ihr ein Gefühl von Dringlichkeit entfacht. Ihr Plan war vielleicht verrückt - ein ganzes Volk den Ozean überqueren zu lassen -, aber wenn sie es überhaupt versuchen wollte, war jetzt der richtige Augenblick. Wenn der Krieg erst über die Königreiche hereinbrach, wenn Hunger und Elend die ganze Welt heimsuchten, dann würde es zu spät sein, zu verhandeln und Verbündete zu finden.
    Deshalb war sie heute hier, in der Stadt ihres mächtigsten Feindes.
    »Achtung!«, flüsterte Bara, und nun sah auch Marikani sie: eine Patrouille von Soldaten des Emirs. Vahas , Fußsoldaten. Sie waren in helles Leinen gekleidet, um in den Straßen nicht weiter aufzufallen. Nur die Stickerei auf ihrem Ärmel, die eine stilisierte Sonne darstellte - das Symbol der Macht des Emirats -, zeugte von ihrer Autorität.
    Sie waren zu dritt, marschierten auf der rechten Straßenseite, im Licht … Auf den ersten Blick eine gewöhnliche Patrouille, an der nichts Besonderes war. Selbst in Friedenszeiten regierte der Emir sein Land mit eiserner Hand. Alles war genau geregelt: der Handel, die Religion,
die Sitten. Als Marikani vor Jahren zu einem offiziellen Besuch hier gewesen war, hatte es Patrouillen in der Stadt wie Sand am Meer gegeben. Aber damals waren die Vahas entspannt gewesen. Sie waren plaudernd umhergeschlendert, hatten mit der Bevölkerung gelacht und gescherzt und anstößige Bemerkungen über die Figur der Frauen in ihren hautengen, makellosen Saaïs gemacht. Es war nur ein Spiel. Die Frauen hatten getan, als wären sie beleidigt, hatten den Vahas geheuchelt verärgerte Blicke zugeworfen, die die Schönheit ihrer Augen zur Geltung brachten … Dann

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