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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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er hätte duschen sollen.
    Die Umarmung dauerte länger, als es die vertrocknete Emotionalität Suchaneks ertragen konnte. Endlos lange. Eine gefühlte Viertelminute. Susi ließ ihn erst los, als die Lengauer Milli bei der Tür hereinkam.
    «Hallo, Milli», sagte Susi. Die Lengauerin nickte wortlos, spendierte Suchanek einen misstrauischen Blick und verschwand dann hinter den Regalen. Susi strahlte ihn an. Es war Jahre her, dass sich jemand dermaßen offensichtlich gefreut hatte, Suchanek zu sehen. Wenn er so genau nachdachte … Ja. Das musste in etwa bei seiner Geburt gewesen sein.
    Er überlegte, «Und?» zu sagen, aber Susi kam ihm zuvor: «Hab schon gehört, dass du hier bist.»
    «So? Von wem?»
    «So ungefähr vom halben Dorf. Der Mann, von dem man spricht!» Das war ja nun genau das, das Suchanek immer schon sein hatte wollen. Spätestens, seit er sich beim Gruppenfoto nach der Erstkommunion hinter dem Pfarrer versteckt hatte. Er verzog das Gesicht. «Ich. Ausgerechnet.»
    «Na ja. Sonst hat ja keiner den Mörder gesehen.»
    «Ach, ich hab da in der Nacht vielleicht ein bisschen blöd dahergeredet. In Wirklichkeit hab ich einen Schmarren gesehen», murmelte Suchanek missmutig.
    «Da erzählt die Nidetzky aber was anderes.»
    «Die Nidetzky. Na dann. Der Kerl war so weit weg. Und es war finster. Das könnte echt ein jeder gewesen sein.»
    «Ja», sagte Susi. «Das ist ja auch irgendwie das Schlimme, oder? Man sitzt da in dem Dorf, in dem man sein ganzes Leben gesessen ist. Man kennt einen jeden. Und ein jeder könnte es gewesen sein.»
    «Ich war’s jedenfalls nicht. Ehrlich.»
    «Da bin ich aber froh. Ich übrigens auch nicht.»
    «Aber ich hab schon gewusst, warum ich aus Wulzendorf weg bin. Gefährliches Pflaster.»
    «Ich hab ja manchmal deine Mutter gefragt, aber die wollte mir, glaub ich, nicht so richtig was erzählen. Also, jetzt sag einmal: Was hast du denn getrieben die ganze Zeit?»
    Suchanek entschied sich wie am Vortag bei Grasel wieder für die Wahrheit. «Nichts.»
    «Fünfzehn Jahre lang nichts?»
    «Na ja. Du musst bedenken, dass ich schon allein ein gutes Drittel von der Zeit geschlafen hab.»
    Susi lachte. «Dann war’s ja gut, dass du in die große weite Welt gegangen bist. So ein ambitioniertes Programm hättest du in Wulzendorf natürlich nicht durchziehen können.»
    Suchanek grinste verlegen. «Jetzt weißt du, warum meine Mutter da nicht so gesprächig war. Und wie geht’s dir so?»
    «Ach.» Susi zuckte mit den Schultern. «Siehst eh. Nicht sehr aufregend, mein Leben. In Wulzendorf picken geblieben, das Geschäft von den Eltern übernommen, Haus gebaut.» Sie stockte kurz. «Das mit dem Hannes hast du gehört?»
    Suchanek nickte stumm. Jetzt würde sie ihm gleich vorhalten, dass er sich nicht einmal damals gerührt hatte. Und sie würde so was von recht damit haben.
    «Aber das ist ja auch schon wieder so lang her, dass es mir vorkommt wie in einem anderen Leben. Nur mit den Kindern ist es manchmal nicht so einfach.»
    «Wie alt sind sie denn jetzt?»
    «Der David ist neun und der Stefan sieben. Und Buben in dem Alter … Ich geb mir ja Mühe, aber Fußball und Fischen sind nicht unbedingt meine Kernkompetenzen.»
    «Oh Gott, Fußball. Der Grasel hat mich dazu verdonnert, dass ich morgen beim Hansi-Burli-Gedenkmatch mitmache. Wobei … Wahrscheinlich findet das jetzt ja eh nicht statt.»
    «Du als Fußballer? Aber hallo! Da hat sich ja einiges geändert. Du willst nicht zufällig den Job bei meinen Buben haben?»
    Das war jetzt ein Scherz. War das jetzt ein Scherz?
    Susi grinste. «Huh! Jetzt hat’s ihn aber gerissen! Keine Angst! Als Fußballtrainer, hab ich gemeint. Nicht als Ersatzpapa. Andererseits … Wie lange bleibst du denn hier?»
    «Bis Sonntagabend. Dann kommen meine Eltern vom Urlaub zurück.»
    «Na ja, schade. Dann geht sich das sowieso nicht aus. Da dauert die Einschulung schon ein bisschen länger», sagte Susi und zwinkerte.
    Die Lengauer Milli hatte es in der Zwischenzeit so gemacht wie der Suchanek vorher: Sie hatte sich in den Gängen herumgedrückt, weil sie wohl auch erst zur Kassa gehen wollte, wenn die Susi wieder allein war. Aber nachdem sich der Suchanek nicht und nicht putzen wollte, kam sie nunmehr mit verkniffenem Gesicht zum Pult und stellte ihren Korb ab. Während Susi ihn ausräumte und die Rechnung zu schreiben begann, musterte die Milli den Suchanek ungeniert. Schließlich gelangte sie zu einer beinharten Erkenntnis: «Der wird sich nicht

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