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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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spätestens seit dem Match, das analog zur Schande von Gijon als Schande von Wulzendorf in die Sporthistorie eingehen würde, praktisch Ehrenfeuerwehrmann.
    So. Wie sollte er nun in diesem Gewühl den Grasel finden? Bei den Schießbuden, wo sich glutäugige Jungschönheiten mit zweifärbigen Haaren von ihren fast noch nüchternen Verehrern die erlegten roten Plastikrosen in den Ausschnitt stecken ließen? Beim Tagada, auf dem vierzehnjährige Testosteronneulinge bewiesen, dass man die ganze Schüttlerei auch stehend absolvieren und das für eine Errungenschaft halten konnte, die irgendwen beeindruckte? Beim Autodrom? Eigentlich absurd, dass sich ein Schausteller mit so einem kindischen Ding in die Welthauptstadt des Sportauspuffs wagte, die, gemessen an ihrer Einwohnerzahl, stolz auf die höchste Quote an im Straßenverkehr verschiedenen Jungmännern verweisen konnte – noch weit vor Bogota und Karachi. Beim Kinderkarussell? Nun, das würde an sich nicht schlecht zu Grasel passen, allerdings war da ja noch dieser schwelende transnationale Konflikt wegen des zusammengeschossenen Polizeimotorrads.
    Bierzelt. Bierzelt war die beste Wahl.
    Suchanek wandte sich also nach links und ging der betörenden Klangspur nach, die an ihrem glücklichen Ende zum Heimeder Kurtl und seinem gerade die volle zerstörerische Wirkung entfaltenden Gipsy-Kings-Medley führte. Georgelte Flamencogitarren – eine Grenzerfahrung, die man unbedingt einmal gemacht haben musste.
    Knapp vor dem Eingang sah Suchanek eine Silhouette auf sich zukommen, die ihm irgendwie bekannt vorkam. Na geh. Musste er jetzt unbedingt in den Pfarrhofer René hineinrennen? Also, diesmal zwar nur im übertragenen Sinne, aber trotzdem.
    Als der René ihn sah, hellten sich seine Züge auf. «Suchanek!», rief er. «So ein Glück, dass ich dich hier treffe! Ich muss unbedingt mit dir reden. Komm mit, ich lad dich auf ein Trankl ein.»
    Suchanek schaute sich unsicher um. Hier waren so viele Leute, dass ihm der René wohl eher nicht geschwind einmal das Genick brechen würde. Obwohl er vermutlich nicht mehr als zwei Finger dazu brauchte. Dass dem Suchanek das erst jetzt einfiel. Wenn letzte Nacht Pfarrhofer derjenige gewesen wäre, auf dem er draufgesessen war und auf den er eingedroschen hatte, hätte ihn der mit einem Rülpser ausknipsen können. So betrachtet, konnte er den René eigentlich von seiner Verdächtigenliste streichen.
    Der Pfarrhofer nahm Suchanek in den Arm und zog ihn ins Zelt. Eine riesige Nebelglocke aus Rauch, Schweiß und Alkohol, der es irgendwie geschafft hatte zu verdunsten, bevor ihn jemand in sich hatte hineinschütten können, hing über dem Meer von lachenden, brüllenden, schunkelnden Menschen. Auf der Bühne thronte der Heimeder Kurtl hinter einer Batterie von verschwenderisch vielen Orgeln, deren Unzahl noch erstaunlicher war, wenn man wusste, wie schwer es ihm fiel mit beiden Händen gleichzeitig zu spielen.
    Suchanek war natürlich schon in einem Bierzelt gewesen, auch wenn er sich diese Erfahrung in all den Jahren, seit er aus Wulzendorf weg war, nicht mehr gegönnt hatte. Doch jetzt musste er sagen: Es war genauso schön wie damals. Es erinnerte ihn immer noch sofort an ein Gemälde. Eines von Hieronymus Bosch.
    «Urli!», schrie Pfarrhofer schon von weitem. «Zwei doppelte rote Wodka für meinen Freund und mich!» Die Burli-Urli hinter der Bar hatte sich ganz schön herausgeputzt für den Abend. Schließlich musste man ja was fürs Trinkgeld machen, das wusste nach 35  Jahren im gehobenen Abendgeschäft niemand besser als sie. Ein Leopardenbustier, dessen Ausschnitt unter die Kategorie «So genau wollte ich es nun wirklich nicht wissen» fiel, ein knallenger Ledermini, ein dicker, am Ende rattenscharf nach oben abbiegender Lidstrich, neonpinker Lippenstift. Suchanek hatte schon lange nichts Traurigeres mehr gesehen. Außer natürlich beim täglichen Blick in den Spiegel. Er hatte allerdings einen Vorteil gegenüber der Urli: Er war jetzt schon erbärmlich. Da musste man sich über ein Altern in Würde keine großartigen Gedanken mehr machen.
    «Suchanek», gurrte Urli verrucht und zündete sich eine von diesen langen, dünnen Zigaretten an, die bereits Generationen von Pomeranzen dem Irrglauben verfallen ließen, sie sähen mit ihnen in den Fingern irgendwie mondän aus. «Ich hab schon gedacht, du lässt mich hier allein!»
    Pfarrhofer hob sein Glas. «Pfia Gott, Lackerl!», schrie er vergnügt, rammte mit seinem Stamperl das von

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