Volksfest
zwanzig Kilo Ausrüstung. Aber das musste jetzt sein.
Sie schlenderten zuerst die Straße entlang und bogen dann knapp hinter dem Platz ab, an dem der Kurtl stand. Dann gingen sie über den schmalen Wiesenstreifen im Straßengraben und stellten sich vollkommen unauffällig zu den der Segnung Harrenden dazu. Höchstens zwanzig Leute starrten sie an und fragten sich offenbar, was dieser plötzliche Anfall von Religiosität bei den Wulzendorfer Blues Brothers zu bedeuten hatte. Aber darauf konnten die beiden Privatschnüffler jetzt keine Rücksicht nehmen. Die Messe steuerte ihrem Höhepunkt zu, und sie mussten ihren Auftritt mit dem Heimeder über die Bühne bringen, bevor sich alle wieder in ihre Autos setzten.
Langsam drängten sich Grasel und Suchanek in der Reihe hinter dem Kurtl nach rechts, so lange, bis sie endlich genau hinter ihm standen. Keine Minute zu früh. Denn schon rief der Pater vorne mit gezücktem Wedel: «Und darum bitten wir dich, oh Herr! Segne diese Autos und alle, die in ihnen fahren! Gewähre ihnen deinen Schutz auf all ihren Wegen und geleite sie sicher in deinen Schoß! Im Namen des Vaters, des Sohnes …»
Geleite sie sicher in deinen Schoß? Na, egal jetzt.
Links vom Grasel stand der Dreier-Kanschitz. Und gleich neben dem Heimeder war die Nidetzky. Ideale Zeugen. Suchanek holte vorsichtig den Führerschein aus seiner Hosentasche, bedeckte ihn auf seinem Oberschenkel mit der flachen Hand und ließ ihn schließlich unauffällig hinabgleiten. Er fiel auf den Boden und kam wunschgemäß neben Kurtls Fuß zu liegen. Es war angerichtet.
Und bald darauf entließ Pater Akwuegbu die Gemeinde. «Gehet hin in Frieden!»
«Dank sei Gott, dem Herrn!»
Jetzt!
Bevor Heimeder auch nur den Hauch einer Chance hatte wegzugehen, bückte sich Suchanek, nicht ohne alle seine Nachbarn dabei anzurempeln, hob das rosa Papier auf, klopfte dem Alleinunterhalter auf den Arm und dröhnte weit über Zimmerlautstärke: «Kurtl! Du hast da was verloren!» Heimeder drehte sich zu ihm und streckte verwundert den Arm aus, um den Schein an sich zu nehmen. Aber Suchanek zog seine Hand wieder zurück und schrie: «Warte, ich will erst sehen, wie du als ein Junger ausgeschaut hast!»
«Ja!», brüllte Grasel. «Sicher urblöd!»
Suchanek klappte das Dokument auf, machte sein hoffentlich bestes entsetztes Gesicht und rief: «Aber, Kurtl! Das bist ja gar nicht du! Das ist ja … der Willi!»
«Was? Wie kommst du denn an den Führerschein vom Willi, Kurtl?», schrie jetzt wiederum Grasel in nahezu täuschend echter Verwunderung. Sie kamen so natürlich rüber wie zwei Shoppingkanal-Verkäufer, die sich vollkommen ungezwungen über die Vorteile eines direkt auf dem Staubsaugerrohr angebrachten Haartrimmers unterhielten. Aber die Schmierenkomödie hatte ihren Zweck erfüllt. Die alte Nidetzky riss die Augen weit auf, die Leute rundum rückten alle näher, um mitzubekommen, was da gerade passierte, und der Dreier-Kanschitz nahm Suchanek den Führerschein sogar aus der Hand, um sich davon zu überzeugen, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Dann schaute er den Heimeder verständnislos an.
«Ich, äh … das schaut jetzt zugegeben ein bissl blöd aus. Aber dafür gibt es eine einfache Erklärung!», stotterte der. «Den hat mir der Willi gegeben.»
«Ach so?», sagte der Dreier ungläubig. «Freiwillig? Und warum sollte der Willi das bitte tun?»
«Natürlich freiwillig! Beim letzten Mal, wie wir bei dir im Café geschnapst haben», sagte der Heimeder Richtung Grasel. Ganz klein war der sonst immer so lustige Mann auf einmal. «Der Willi hat an dem Tag so viel verloren, dass er nicht mehr zahlen konnte. Da hat er mir als Pfand seinen Führerschein gegeben.»
«Aber das kann doch nicht sein», antwortete Grasel. «Ihr habt’s doch immer nur um einen Euro das Bummerl gespielt.»
«Das haben wir doch nur euch gesagt, damit es nicht so blöd ausschaut. In Wirklichkeit waren es 1000 Euro. Und der Willi hat am Sonntag vor drei Wochen einen ganz schlechten Lauf gehabt. Ganz miese Karten. Ein paar Mal ist er sogar Schneider geworden. Und eigentlich hat er schon in den Wochen vorher auch einen schlechten Lauf gehabt.»
«Wie viel hat er dir denn geschuldet?», wollte Suchanek wissen.
Heimeder senkte den Kopf. «Viel», sagte er leise.
«Jetzt sag schon!», drängte die Nidetzky. «Wie viel?»
« 27000 Euro», sagte Kurtl tonlos.
Grasel pfiff anerkennend. « 27000 ? Um so viel Kohle habt ihr unter meinen Augen geschnapst,
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