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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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und ich hab nichts mitgekriegt? Ich glaub, ich werde alt.»
    Und Suchanek sagte: «Nicht böse sein, Kurtl: Aber für mich klingt das nach einem Motiv.»
    «Motiv? So ein Blödsinn! Er hat ihn mir als Pfand gegeben! Wirklich! Ich habe auch einen Zeugen!»
    «So? Wen?»
    «Der Siebzehner-Stratzner war dabei. Der wird es euch bestätigen!»
    «Das hoffe ich für dich», sagte der Dreier-Kanschitz ernst, klappte den Führerschein zu und wedelte damit vor Heimeders Gesicht. «Aber jetzt würde ich sagen, du gehst am besten mit mir zum Kommissar. Du wirst ja wohl einsehen, dass wir ihm das da zeigen müssen.»
    «Ja.» Heimeder gab sich widerspruchslos geschlagen. «Natürlich.»
    Suchanek und Grasel sahen ihm nach, wie er mit gesenktem Kopf an der Seite vom Kanschitz davontrottete. Ein paar Leute gingen den beiden nach, weil sie Kurtls Auftritt vor Wimmer nicht verpassen wollten.
    «Das ging ja viel leichter, als ich gedacht hätte!», frohlockte Grasel leise. «Und er hat sogar noch gleich ein Motiv dazugeliefert.»
    «Ja», sagte Suchanek nachdenklich. «Schon.»
    «Was ist? Bist du nicht zufrieden?»
    «Doch, natürlich. Aber wenn der Stratzner seine Geschichte bestätigt? Und wird der das als guter Freund nicht sowieso tun? Egal, ob sie stimmt oder nicht?»
    «Na ja. Der Wimmer wird ihn schon ordentlich in die Mangel nehmen. Und ob sich der Siebzehner einfach so zu lügen traut … Ich weiß nicht.»
    Während Grasel und Suchanek weiterdiskutierten, ob sie den Fall nun gelöst hatten oder nicht, leerte sich das Areal rasch. Die Feuerwehr hatte alle Autofahrer ersucht, nach der Messe rasch wieder vom Fußballplatz wegzufahren, weil dort am Nachmittag noch die große Schlusstombola stattfinden sollte. Bald standen die beiden nahezu allein auf dem Messegelände, ins Gespräch vertieft.
    Dann war es Grasel, der noch vor Suchanek merkte, dass etwas nicht stimmte.
    Die Leute, die noch da waren, schienen plötzlich alle auf einen Punkt am Volksfestgelände zuzuströmen.
    «Was ist da los?», murmelte er und schaute angestrengt in die Richtung. Dann packte er Suchanek am Ärmel und zog ihn hinter all den anderen her.
    In der Mitte einer Menschentraube saß auf einer Bank ORF  1 , der Gärtner Poldi. Seine Haare waren schweißnass, und neben beiden Ohren rannen die Iguacu-Fälle über sein teigiges, angstverzerrtes Gesicht. «Er ist weg. Weg!», rief er mit schriller Stimme. «Ich hab ihn überall gesucht. Nirgends ist er. Und ans Handy geht er auch nicht. Er ist einfach verschwunden!»
    Suchanek schaute zum Fußballplatz. Die gesegneten Autos waren, wie gewünscht, alle brav wieder weggefahren. Bis auf eines. Es schaute Richtung Kläranlage und stand quasi auf der rechten Außendeckerposition. Selbstverständlich war es anthrazitgrau und auch sonst ein Teil von Willis stolzem Erbe. Aber abgesehen von diesem Zugeständnis an den Zeitgeist verströmte es den Geist eines nahezu radikalen Individualismus.
    Denn da konnten alle mit ihren BMW s und GTI s und Astras sagen, was sie wollten: Nur ein Japaner war ein Japaner.

[zur Inhaltsübersicht]
17
    Wenn die Tradition etwas verlangt, dann gibt man es ihr, und aus. Das war ja bitteschön nicht nur in Wulzendorf so, sondern überall auf der Welt.
    So gesehen war es eigentlich auch kein Unterschied, ob jetzt beispielsweise der Wulzendorfer Burschenbund in der Nacht ausrückte, um den angeberischen Maibaum in Bernhardsau, den höchsten in der ganzen Umgebung, umzulegen oder ob irgendeine verhutzelte alte Hexe, neben der wahrscheinlich früher der Pater Akwuegbu gewohnt hatte, in der Nacht losging, um ein kleines Mädchen mit einer Glasscherbe zu beschneiden. Über die Traditionen anderer brauchte keiner zu urteilen, wenn er sich nicht wenigstens vorher eingehend mit ihnen befasst hatte.
    Der Sechser-Hartl war da ein löbliches Vorbild. Er hatte sich schon immer weniger für Maibäume interessiert als sehr viel mehr dafür, was die da unten bei so einer Beschneidung eigentlich alles wegschnitten. Man konnte sagen, dass der Sechser auf diesem ethnologisch hochinteressanten Gebiet quasi wissenschaftlich arbeitete, obwohl er das ja nicht studiert hatte oder was. Aber die meisten von seinen Internet-Bookmarks führten zu Seiten, wo man das, was die da wegschnitten, genau sehen konnte. Also, wenn es noch da war. Besser noch als auf den Fotos, die er immer von seiner Bianca machte, weil er war ja nur ein zwar sehr ambitionierter, aber eben doch Amateur. Aber das war jetzt eine ganz andere

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