Volkssagen, Maerchen Und Legenden
in Böhmen, der bei dem Fürsten in großem Ansehen und Gnaden war, gebracht, darüber er sich denn zum heftigsten entsetzte, eilends zum Fürsten in das Zimmer lief und ihn mit Wehmuth anredete: was er doch noch in die Länge verziehen wollte, daß er sich nicht den erbärmlichen Mord der Männer und das Blutbad so vieler Jünglinge wollte bewegen lassen. Er sollte doch bedenken, an welchem Orte, an welcher Stelle er wäre, was er für ein Amt auf sich hätte; nicht, daß er allda sitzen und wahrsagen sollte, sondern daß er ihnen mit Rath und That sollte zu Hülfe kommen und solche schreckliche, begangene Missethat strafen. Wofern er solches jetzt nicht thäte und ließe sich vergeblich aufmahnen, sollte er wissen, daß er von denjenigen, die er jetzt verließe, wiederum sollte verlassen werden.
Als Stiradius solches gesagt, wollte er hinweg gehen. Der Fürst aber hielt und bat ihn, daß er sich doch nicht selbst ein Unglück wollte bereiten und dem Glücke widerstreben, sondern sollte vielmehr warten, bis dasselbe wiederum bei ihnen stehen würde. Er aber bat den Fürsten wiederum, daß er das Wahrsagen unterlassen, sein selbst eigen Heil und der Seinen Wohlfahrt in Acht nehmen wollte.
Wlasta hatte ihre heimlichen Kundschafter bei des Fürsten Hofe und als sie vernommen, wie Stiradius so übel gegen sie gesinnet, trachtete sie auf Mittel und Wege, wie sie ihn mit Gewalt oder List möchte um's Leben bringen. Deswegen band sie in dem nächsten Walde, durch den Stiradius reisen sollte, eine schöne Jungfrau, mit Namen Sarka, mit Händen und Füßen an einen Baum, setzte neben sie ein Näpfel mit Meth, hing neben sie ein Jägerhorn und vermeldete ihr, wie sie sich gegen Stiradius erzeigen sollte. Die anderen Jungfrauen blieben heimlich in dem Hinterhalt. Als aber Stiradius auf die Jagd zog, oder, wie andere wollen, zu Vergleichung etlicher streitiger Sachen verreisete und in den Wald kam, wie er denn daselbst oft vorüber zu reisen pflegte, hub Sarka mit halber Stimme an zu klagen und zu winseln, schrie und bat um Hülfe und Rettung. Der Diener einer ritt aus der Straße, zu besehen, was es für eine Gelegenheit, kam wieder und vermeldete, wie daß eine schöne Jungfrau allda an einen Baum gebunden wäre.
Darum ritt Stiradius selbst hin und als er sah, wie die Jungfrau angebunden, fragete er: wer sie angebunden hätte und was die Ursache wäre? Darauf antwortete Sarka mit weinenden Augen: wie Wlasta und ihr Anhang diesen Frevel begangen; denn, weil sie nicht in ihre Tyrannei und böse Thaten verwilligen, so sie an den Männern begangen, und sich heimlich von ihr entbrechen wollen, wäre sie über ihrem Vornehmen verrathen worden und deshalb hätte sie Wlasta an diesen Baum gebunden und sie mit Pfeilen zu Tode schießen wollen. Aber als schon ihrer etliche ihre Bogen gespannt und auf sie gezielet, hätten sie das Jauchzen und Bellen seiner Hunde, auch das Getümmel und Gewieher seiner Rosse gehört, hätten deswegen alsbald die Flucht gegeben und in großer Eile diese Flasche und das Jägerhorn, so an dem Baume hinge, mit sich zu nehmen vergessen. Darum bäte sie ihn ganz fleißig, er wollte sich ihrer erbarmen, sie los machen und ihren Aeltern wieder überantworten, oder, da sie das nicht bei ihm erhalten möchte, sollte er sie eher ums Leben bringen, denn an diesem Aste lebendig angebunden lassen. Nach seinem Verreisen würden doch die Jungfrauen kommen, und sie schändlich ums Leben bringen, darum sie lieber vor seinen Augen sterben wollte.
Stiradius ward durch diese Rede und der Jungfrau Wehklagen bewogen, daß er abstieg und die Jungfrau mit seinen Händen los machte. Alsbald fiel Sarka auf die Erde nieder, gleichsam als geriethe sie in eine Ohnmacht, that doch, als ermannete sie sich wiederum, forderte die Flasche, als wollte sie sich durch den Meth ein wenig erquicken, und that, als wenn sie solchen dem Stiradius zutränke, der mit sonderem Fleiße vergiftet und bezaubert war. Da aber Stiradius ihr Bescheid that, blies sie unterdeß das Horn und gab also ein Zeichen von ihr. Alsbald fiel Wlasta mit den andern Jungfrauen aus dem heimlichen Hinterhalt herfür, brachten einen Theil der Gefährten des Stiradius um, den andern Theil aber schlugen sie in die Flucht. Hernach überfielen sie Stiradius, der, durch den vergifteten und bezauberten Trank, beider, seiner Sinne und seiner Leibeskräfte, ganz und gar beraubt war, nahmen ihn gefangen, banden ihn mit Ketten, räderten ihn und setzten ihn vor das Schloß
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