Voll auf Ex-Kurs Roman
mal!
Auch, wenn ich nun wirklich nicht Quasimodo bin – eine gute Stunde später bin ich tatsächlich mehr als hingerissen. Und zwar von mir selbst. Patrizia hat aus mir einen neuen Menschen gemacht, meine sonst so langweilig platten Haare fallen mir in weichen Locken über die Schultern, meine Augen strahlen groß und ausdrucksstark, ich habe einen Pfirsich-Teint, und das blaue Kleid, das die Stylistin für mich ausgesucht hat, kaschiert meine Problemzonen wunderbar. Lauren Bacall in modern, möchte ich sagen. Verzückt stehe ich vor dem großen Spiegel in der Maske und kann gar nicht mehr aufhören, mich anzustarren.
»Wow«, sage ich zu Patrizia, die gerade ein kleines Täschchen mit Make-up und Haarspray zusammenpackt, um im Studio jederzeit eingreifen zu können, falls mein Lipgloss nicht mehr genug glänzt oder eine Haarsträhne auf Abwege gerät. »Ich kann immer noch nicht fassen, dass ich das bin.«
»Bist du aber«, stellt die nette Stylistin fest, die ich schon von anderen Shootings kenne.
»Das ist wirklich unglaublich.« Patrizia lächelt mich an.
»Freut mich, wenn es dir gefällt. War aber gar nicht so schwierig, deinen femininen Typ etwas zu betonen.«
»Feminin?« Bisher habe ich mich eigentlich nie für sonderlich feminin gehalten, sondern eher für eine Mischung aus burschikos und … unscheinbar. Aber was ich jetzt im Spiegel erblicke – wäre ich nicht schon ein, zwei Monate zu alt dafür, könnte ich glatt bei Germany’s Next Topmodel mitmachen. Nun ja, ich will nicht gleich größenwahnsinnig werden. Dafür habe ich trotzdem noch fünfzehn Kilo zu viel auf den Rippen, das sind ja alles so Hungerhaken.
Patrizia erklärt mir netterweise noch schnell, was sie wie gemacht hat, damit ich es zu Hause ausprobieren kann, dann hören wir schon Roland Behrmann aus dem Studio nach uns rufen. Wir machen uns auf den Weg – jetzt wird’s ernst!
Germany’s Next Dorftrottel!
»No, no, no, no!« Okay. So ganz prädestiniert fürs Modelgeschäft bin ich wohl doch nicht. Seit einer geschlagenen Stunde versucht Mike, das erste Motiv mit mir in den Kasten zu kriegen – und rauft sich dabei quasi permanent die Haare. Zwischendurch bellt er »Sexy, that’s not sexy! Baby, sexy, sexy, sexy!« oder »Gimme more!«. Aber es nützt nichts, seine Bruce-Darnell-mäßigen Anweisungen führen im Gegenteil lediglich dazu, dass ich mich mehr und mehr verkrampfe.
Aus den Augenwinkeln beobachte ich Hardy Petersen und Martina Winkel, die mittlerweile auch schon ziemlich skeptisch dreinblicken. Roland Behrmann redet leise und, wie ich vermute, beruhigend auf sie ein. Trotzig schiebe ich mein Kinn vor, habe ich doch gleich gesagt, dass das nichts für mich ist. Jetzt dürfen sie sich auch nicht beschweren!
»No!«, krakeelt Mike wieder. »Du haste Liebeskummer, aber du musste dabei auch sexy sein!!!« Verzweifelt strecke ich meinen Busen raus und versuche mich an einem lasziven Augenaufschlag. Verdammte Hacke, ich bin doch kein Playboyhäschen! »Seeeeeeexy!«, brüllt Mister Top-Fotograf. Okay, noch mehr Busen, noch größere Augen, langsam bricht mir der Schweiß aus, und das nicht nur, weil die Scheinwerfer so heiß sind. »Seeee …«, setzt Mike ein weiteres Mal an – da fliegt die Tür zum Studio auf. Es rauscht herein: Eine völlig aufgelöste Barbara Kerstens.
»Der Dreckskerl hat mich verlassen!«, plärrt sie unvermittelt los, kommt auf mich zugestürzt und fällt mir weinend um den Hals. Schluchzend klammert sie sich an mich, und ich weiß gar nicht, wie mir gerade geschieht. Mike hat mittlerweile seine Kamera sinken lassen, Roland Behrmann, Martina Winkel und Hardy Petersen starren uns verständnislos an.
»Was ist los?«, frage ich meine Kollegin und schiebe sie ein Stückchen von mir weg. Der Stoff meines Kleides ist an den Schultern schon ganz nass, in Barbaras Augen stehen ganze Wasserfälle.
»Jens«, schluchzt sie. »Jens hat sich von mir getrennt.«
»Wie, getrennt?«
»Na, getrennt halt«, brüllt sie mich an, als wäre ich der Mistkerl. Dann fährt sie ihre Lautstärke wieder ein bisschen herunter und spricht stockend weiter. »Heute früh hat er mir mitgeteilt, dass er sich in eine andere Frau verliebt hat und gegen seine Gefühle nicht mehr ankommt. Er hat schon ein paar Sachen gepackt und ist ins Hotel gezogen.«
»Was? Das kann doch wohl nicht wahr sein!«
»Ist es aber.« Sie weint noch immer.
»Und wie lange geht das schon mit der anderen?« Barbara zuckt mit den
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