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Voll daneben

Voll daneben

Titel: Voll daneben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. L. Going
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erzählt hat, dass es ein Fehler gewesen sei. Dann hat mein Dad irgendwas darüber von Andreas Mutter gehört, die behauptet hat, es sei alles meine Schuld und ...
    Ich kaue auf meinem Stift herum und stelle fest, dass ich Aufsätze hasse. Sie machen so viel Arbeit – und wozu? Nicht jederwird aufs College gehen. Ich starre aus dem Fenster. Schließlich schreibe ich: »Das Schönste am ganzen Sommer war für mich, dass ich meinen Freund Julio auf Hawaii besuchte.« Aber als ich wieder nach Hause zurückkam, hörte ich, wie Mom zu Dad sagte: »Du hast ihn nur nach Hawaii geschickt, weil du ihn nicht mehr sehen kannst.« Also streiche ich auch diesen Satz.
    Dann lege ich den Kopf auf den Tisch.
    »Die Stunde ist vorbei. Bitte gebt eure Texte ab. Morgen werden wir den ersten Akt aus Hamlet lesen, also bringt bitte eure Bücher mit.« Orlando legt unsere Zettel zu einem Stapel zusammen. Dann klingelt es – endlich  – und für mich heißt es nur noch nichts wie raus , aber Orlando stellt sich mir in den Weg.
    »Liam, kann ich dich kurz sprechen?«
    Ich nicke, und er zeigt auf meinen Tisch.
    »Setz dich.« Er hat mein Blatt in der Hand und wirkt, als könne er sich nicht entscheiden, was er sagen will. »Du hast das Wort ›the‹ geschrieben«, sagt er, sobald ich mich setze. »Ich habe euch eine ganze Stunde Zeit und ein allgemeines Thema gegeben, aber du hast es nur geschafft, das Wort ›the‹ zu schreiben. Möchtest du dazu etwas sagen?«
    Die Antwort auf diese Frage ist definitiv ›Nein‹.
    »Ist es, weil ich mit Pete zusammen und jetzt auch noch dein Lehrer bin? Hast du damit ein Problem? Damit das klar ist: Schule ist für mich Schule und hat damit nichts zu tun. Du brauchst dir da keine Sorgen zu machen.«
    Ich nicke, als sei es nebensächlich.
    »Ich werde dich nicht anders als alle anderen Schüler behandeln«, fährt Orlando fort. »Jeder der anderen Schüler hat es geschafft, zwei Seiten über das Aufsatzthema zu schreiben. Jeder von ihnen.«
    Er hält kurz inne.
    »Ich möchte, dass du zwei Seiten über das Thema ablieferst.« Orlando gibt mir mein Blatt zurück. »Ich muss noch ein paar Stundenpläne durchgehen, also können wir hier sitzen bleiben, bis du fertig bist.«
    Ich starre das leere Blatt an. Den ganzen Tag über habe ich die Sekunden gezählt, bis die Schule endlich vorbei ist – und jetzt will er, dass ich hier herumhocke und versuche, eine Frage zu beantworten, auf die ich keine Antwort weiß?
    »Mir fällt nichts ein«, sage ich, doch Orlando zeigt kein Mitgefühl.
    »Gab es denn im ganzen Sommer kein einziges schönes Erlebnis, an das du dich erinnerst?«
    Ich schüttele den Kopf, aber ich will nicht darüber diskutieren. Also nehme ich seufzend den Stift in die Hand. Ich werde mir wohl oder übel etwas ausdenken müssen.

16
    ES IST SOMMER , und wir wohnen seit einem Jahr in Kalifornien. Ich bin acht Jahre alt. Dad und ich sind im Garten hinter dem Haus und genießen den schönsten Juniabend, den ich je erlebt habe. Er ist pünktlich von der Arbeit nach Hause gekommen, und Mom ist weggefahren, weil sie ein paar Sachen zu erledigen hat. Also schlägt Dad vor, anstatt Abendessen zu kochen, ein Picknick zu machen. Es wird noch ein paar Stunden lang hell bleiben, und so stapfen wir mit einem Rucksack voller Erdnussbuttersandwiches und Saftflaschen hinaus zu meinem Baumhaus.
    Dad hat ›Die Schatzinsel‹ mit rausgenommen und liest mir laut daraus vor. Ich bemühe mich, ganz besonders brav zu sein und still zu sitzen, aber wenn Dad nicht hinsieht, rücke ich immer näher an ihn heran, bis ich ganz dicht hinter ihm sitze. Ich kuschle mich an ihn und schaue über seine Schulter auf die Buchseiten. Ich lege die Hand auf seinen Arm, er fühlt sich warm und fest an. Während Dad liest, sehe ich immer wieder in sein Gesicht statt ins Buch.
    »Fünfzehn Mann auf des Totenmanns Kiste   – Yohoho und ’ne Buddel voll Rum! Sauft und der Teufel sagt Amen dazu   – Yohoho und ’ne Buddel voll Rum!« Dads Stimme hallt. Eine warme Brise weht durch die Äste, und ein Vogel flattert aus dem Blätterwerk heraus. Wir zucken beide zusammen, und ich halte den Atem an, falls Dad wütend werden sollte, doch dann lacht er nur. Sein Lachen erfüllt das Baumhaus, und schließlich lache ich auch.
    » Yohoho und ’ne Buddel voll Rum!«, sagen wir im Chor.
    Ich bin rundum glücklich.
    Als ich von der Schule zurückkomme, rufe ich Dad an. Ich weiß, dass ich das lieber lassen sollte, aber ich tue es

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