Voll daneben
den Pingpongball auf und halte sie wieder an den oberen Rand. Nur bin ich jetzt nervös. Als Darleen ›Zeit‹ sagt, will ich zwar beideloslassen, aber ich werde durch den Stress, den ich mir mache, sie genau im selben Moment loszulassen, abgelenkt. Am Ende halte ich das Auto aus Versehen fest. Der Pingpongball hüpft unter einen der anderen Labortische.
»Ich hole ihn«, sage ich hastig. Ich krieche unter den Tisch, aber ich kriege ihn nicht zu fassen.
»Hier«. Die Blonde von Tisch Nummer Sechs bückt sich und reicht mir einen Pingpongball. »Wir sind fertig, deswegen kannst du den hier haben.« Am liebsten würde ich sie dafür küssen.
»Äh, danke.«
Darleen wartet ungeduldig und beantwortet dabei die Fragen in ihrem Laborübungsbuch. Ich bin sicher, wir sollen die Fragen gemeinsam beantworten, wenn wir mit dem Labortest fertig sind, aber Darleen wartet nicht auf mich. Sie schweigt, während ich mich erneut für das Experiment bereit mache. Stattdessen hält sie bloß die Stoppuhr in der Hand und sagt, ohne mich anzusehen: »Zeit«.
Ich lasse das Auto und den Pingpongball genau gleichzeitig los. Ich bin mir absolut sicher. Darleen runzelt nur die Stirn.
Mein achter Versuch klappt. Darleen notiert zwei Zahlen in ihrem Laborübungsbuch, und ich muss mich darüber beugen, um zu sehen, wie die Messwerte lauten. Dann schreibe ich sie schnell in mein Buch, bevor ich sie vergesse.
»Was sagen sie aus?«, frage ich. Das klingt zwar wie eine gute Frage – eine Streberfrage –, aber Darleen wirft mir wieder diesen Blick zu. »Ich meine, was sagen diese, äh, Geschwindigkeiten über die Sachen aus?«
»Das wissen wir erst, wenn wir das Experiment beendet haben. Wir müssen es noch mit mindestens zwei weiteren Neigungswinkeln durchführen.«
»Noch mal?!«
Darleen nickt. Dann wirft sie einen Blick auf die Wanduhr.
»Oh Gott!«, sagt sie, und ich drehe mich um, weil ich fürchte, das irgendwas brennt.
»Was ist denn?!«
»Wir haben nur noch drei Minuten Zeit. Du hast die ganze Laborstunde verplempert! Ich fasse es nicht. Ich habe noch nie ein Laborexperiment nicht abgeschlossen.«
Sie wirkt sehr aufgebracht.
»Wir können es schnell beenden«, sage ich. »Wir brauchen nur abzuschreiben, was im Buch steht ...«
In diesem Augenblick merke ich, dass Direktor Mallek hinter mir steht.
»Das nennt man Betrug, Mr Geller.«
Verflucht.
26
DIREKTOR MALLEK SCHICKT MICH ins Büro des Schulberaters. Außerdem gibt er Darleen und mir eine Fünf für das Laborexperiment.
»Ich kann dich echt nicht ausstehen«, sagt Darleen laut, während ich meine Bücher einsammle, und ich weiß, dass sie es auch so meint. Alle starren uns an, als ich den Raum verlasse. Mir ist ein bisschen übel.
Die ganze zweite Stunde über muss ich im Sekretariat warten. Aber sie sind so beschäftigt, dass sie mir schließlich einen Termin in der siebten Stunde geben. Dann muss ich noch einmal zwanzig Minuten warten, bevor ich endlich meinen Schulberater zu sprechen bekomme, der meinen Namen sofort wieder vergisst.
»Ja, Leroy. Erzählst du mir bitte etwas über deinen schulischen Werdegang? Sieht so aus, als wärst du eine Menge herumgekommen. Verrätst du mir noch einmal, wie das passieren konnte?«
Als ich schließlich in den Englischunterricht gehen kann, bin ich spät dran und gefrustet. Orlando liest der Klasse gerade etwas vor. Sobald ich das Klassenzimmer betrete, hält er inne und seufzt.
»Du kommst zu spät«, sagt er. (Als wüsste ich das nicht selbst.) Ich suche in meiner Tasche nach der schriftlichen Unterrichtsbefreiung, bevor mir klar wird, dass ich vergessen habe, mir eine zu besorgen.
»Shit«, murmle ich.
Orlando lässt das Buch sinken. »Wie bitte?«
Ich blicke auf. »Was? Ach, nichts. Ich meine, ich habe vergessen, mir eine Unterrichtsbefreiung geben zu lassen.«
»Wo warst du?«
»Beim Schulberater.«
Orlando zögert. »Dieses Mal mache ich eine Ausnahme, aber wenn es noch einmal vorkommt ...«
Ich nicke und gehe die erste Reihe des Klassenzimmers entlang, um mich an meinen Tisch zu setzen. Orlando fängt wieder an vorzulesen, aber ich kann mich nicht konzentrieren. Darleen kann mich jetzt noch weniger ausstehen als vorher, und wenn ich Darleen nicht beeindrucken kann, dann werde ich meinen Vater nie beeindrucken können. Und weil ich es mir mit Tante Pete schon einmal verdorben habe, heißt das, dass er mich beim nächsten Mal mit Sicherheit vor die Tür setzt und ...
»Liam! Wo ist dein Buch?«
Orlando
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