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Voll daneben

Voll daneben

Titel: Voll daneben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. L. Going
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sie oder so was. Ich stehe bloß da, während sie sich an mich klammert und ihre Schultern beben.
    Schließlich flüstere ich: »Was ist denn?«
    Mom hebt den Kopf und wischt sich die Tränen ab; dabei verschmiert sie ihre Wimperntusche. Dann schnieft sie kurz und verwuschelt mir das Haar.
    »Heute werden die Visagisten mich geradezu lieben.« Sie steht auf und nimmt mich wieder an die Hand. »Komm, Li. Wir müssen Maria suchen, damit ich mich fertig machen kann.«
    Sie geht vom Laufsteg weg, und ich trotte hinter ihr her. Sie zieht mich zu schnell hinter sich her, und ich würde ihr gern tausend Fragen stellen, wie zum Beispiel: »Warum hast du gerade geweint?« und »Fühlst du dich jetzt wieder besser?« oder vielleicht auch: »Wirst du es heute Abend auf dem Laufsteg schaffen oder wirst du hinfallen?« Aber ich bin mir nicht sicher, welche Frage richtig ist, und wenn ich die falsche stelle, dann fängt Mom womöglich wieder an zu weinen.
    Wir gehen hinter die Bühne, wo Maria, die zweite Assistentin des Designers, schon auf uns wartet. Sie wird heute Abend auf mich aufpassen. Wir sind uns schon mal begegnet, aber als sie mich in meinem Anzug und den Wildlederschuhen sieht, schmilzt sie dahin. Dann sieht sie Mom an.
    »Ach, Sarah.« Sie streicht Mom zart über die Wange.
    »Es ist schon in Ordnung«, sagt Mom beiläufig. »Mir geht es gut. Wirklich.«
    »Du weißt, dass du immer Tomas’ Muse sein wirst. Falls du jemals zurückkommen möchtest ...«
    D och Mom wendet sich ab, bevor Maria den Satz beenden kann. Als sie sich wieder umdreht, ist sie wieder meine glückliche Mutter, die uns in die Augen sieht.
    »Nein«, sagt sie, »meine Entscheidung ist richtig. Ich habe einen wunderbaren Mann und einen Sohn, um den ich mich kümmern muss. Sieh dir Liam an! Ist er nicht groß geworden? Er hat mir versprochen, heute Abend ganz, ganz brav zu sein. Nicht wahr, Li?«
    Ich nicke. Nun kniet sich Mom noch einmal vor mich hin.
    »Nimm alles in dich auf«, sagt sie. »Die Lichter, die Musik, die Kleider ... es wird dir gefallen. Glaub mir.«
    Nachts wälze ich mich im Bett. Petes Stimme geht mir nicht aus dem Kopf. »Sie ist früher bei Modenschauen auf der ganzen Welt gelaufen, so lange, bis Allan neidisch wurde. Äh, ich meine, bis er einen Job als Geschäftsführer angenommen hat ... Er hat sie wie Dreck behandelt. Und jetzt behandelt er dich wie Dreck ... Genau wie deine Mutter ...«
    Ich rede mir ein, dass es nicht wahr ist. Mom wollte einfach kein Model mehr sein. Das hat sie mir selbst gesagt, und warum sollte sie lügen? Nur bekomme ich jetzt ihre letzte Modenschau nicht mehr aus dem Kopf. Daran habe ich seit Jahren nicht mehr gedacht.
    Ich liege im Bett und starre an die Decke, und meine Gedanken rasen. Vielleicht hat Tante Pete ja doch recht. Vielleicht war Dad nicht stolz auf Moms Karriere. Hat er sie etwa gedrängt, aus dem Modelgeschäft auszusteigen, weil es ihm nicht gefiel, dass sie mehr Erfolg hatte als er? Wenn ich mit etwas Erfolg hätte – wäre er dann stolz auf mich? Klar wäre er das , sage ich mir. Er konnte es bisher nur nicht beweisen, weil ich noch nie mit irgendwas Erfolg hatte .
    Ich muss mich entspannen – ich muss an was anderes denken –,also fange ich an, in Gedanken Eddies Schaufenster zu entwerfen. Wir haben uns zwar schon ein Design überlegt, aber alle unsere Ideen waren klein und nichts Besonderes, und plötzlich will ich etwas Brillantes. Ich will, dass das Schaufenster für Pineville das wird, was Moms letzte Modenschau wurde.
    Ein Riesenerfolg.
    Als Eddie mich am nächsten Morgen um acht abholt, sitze ich mit meinem Surfbrett auf Tante Petes Türschwelle. Eddie hält an und beugt sich aus dem Fenster. Er trägt eine silberne Sonnenbrille und ein schwarzes Muskelshirt und lässt die Sonnenbrille nach unten auf seine Nase rutschen.
    »Was wird das denn?«, fragt er, während ich das Surfbrett so im Wagen unterbringe, dass ein Ende aus dem Rückfenster ragt. Ich steige vorne ein und stelle eine Strandtasche neben meine Füße.
    »Ich weiß, was du denkst.« Ich versuche, selbstbewusst zu klingen. »Aber ich hab mir das Schaufenster noch mal durch den Kopf gehen lassen, und ich glaube, wir können es noch besser gestalten.«
    »Besser als ein Herbstmotiv?«
    Ich nicke. »Auf Herbst machen jetzt alle. Du willst dich doch abheben, oder? Ich finde, wir sollten einen Sommerschlussverkauf mit den Badesachen machen.«
    Eddie hustet. »Es ist September«, erinnert er mich sanft. »Kein

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