Voll daneben
erschöpft an die Theke und lege den Kopf auf die Tischplatte. Eddie ist der Einzige, der sitzen geblieben ist.
»Ist wohl nicht so gelaufen, wie du wolltest, was?«
Ich stöhne. »Sie hasst mich.«
»Ich bin sicher, das tut sie nicht«, widerspricht Eddie, aber ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch.
»Na ja, sie regt sich schon wieder ab. Es ist nicht deine Schuld, dass die Sache aus dem Ruder gelaufen ist. Petey wird sehr emotional, wenn es um deinen Vater geht. Es ist schwierig für ihn, über diese Dinge zu reden.«
Ich verdrehe die Augen. »Ja logisch«, sage ich. »Nur weil er und mein Vater sich nicht verstehen. Als wäre das so furchtbar.«
Eddie hält inne. Er sieht aus, als wollte er etwas sagen, aberdann überlegt er es sich anders. »Vielleicht solltest du mit Petey darüber reden.«
Ja, sicher , denke ich. Als würden Tante Pete und ich jetzt überhaupt noch miteinander reden.
34
ES IST NEW YORK FASHION WEEK , das größte Event des Jahres, und heute ist Moms letzter Auftritt auf dem Laufsteg. Sie hat sich entschieden, mit einem Knall aufzuhören. Für mich ist es die erste offizielle Modewoche, und deshalb bin ich sehr aufgeregt, auch wenn Mom mir schon immer davon erzählt hat. Wir treffen früh am letzten Tag der Woche ein, nur meine Mutter und ich. Es regnet und das macht die Sache noch schwieriger, denn ich habe einen Anzug und Wildlederschuhe an, die nicht nass werden sollten.
»Jeder muss für die Modewoche gut aussehen«, sagt Mom. »Auch wenn man erst sieben ist.«
Wir nehmen uns ein Taxi, und als es am Straßenrand hält, springen wir heraus und stehen dicht nebeneinander unter ihrem Regenschirm. Die Zelte sind schon alle aufgestellt, und die Wolkenkratzer sehen dahinter aus wie die gemalten Kulissen eines Filmsets.
»Stell dir vor, Liam«, sagt Mom, »in jedem dieser Zelte finden den ganzen Tag, selbst abends, Modenschauen statt.«
Mom nimmt mich an der Hand und läuft los, bis wir aus dem Regen kommen. Wir bringen uns in einem riesigen Zelt in Sicherheit. Darin stehen lauter weiße Plastikstühle, und durch die Mitte zieht sich ein langer Laufsteg. Überall sind helle Lichter und Leute wuseln herum. Es sind die attraktivsten Menschen, die ich je gesehen habe. Nicht, weil sie alle Models wären – manche von ihnen sehen noch nicht einmal aus wie Models –, sondern weil alle wunderschöne K leider und hochhackige Schuhe anhaben. Sie tragen Handtaschen, die mit prächtigen Pailletten und Glitzersteinen bestickt sind, in denen sich das Licht bricht.
Aber meine Mutter beachtet die Leute nicht. Sie geht ans Ende des Laufstegs und bleibt stehen. Sie hält meine Hand so fest, dass es wehtut, aber ich klage nicht. Ich weiß, wann ich mich still verhalten muss, wie zum Beispiel jetzt.
»Ich erinnere mich noch an meine allererste Modenschau«, sagt Mom schließlich. »Ich war so nervös, dass mir den ganzen Abend die Knie gezittert haben und ich Angst hatte, ich würde es nie richtig machen. Ich dachte immer wieder an die vielen Journalisten und Modedesigner und Berühmtheiten, die direkt vor mir in der ersten Reihe saßen, und dass alle Blicke auf mich gerichtet sein würden, wenn ich den Laufsteg hinunterging.«
»Und was hast du dann gemacht?«, frage ich.
Mom lacht und hebt das Kinn. »Ich sag dir, was ich gemacht habe. Ich habe den schönsten roten Mantel aus persischem Lamm und mit einem herrlichen tiefen Ausschnitt angezogen, und mir vorgestellt, dieser Mantel zu sein.« Sie hält inne und schüttelt den Kopf. »Wie blutjung ich damals war!«
»Hast du es damals geschafft?«, frage ich. »Ohne hinzufallen?«
»Ja«, sagt Mom. »Ich habe es viele, viele Male geschafft, ohne jemals hinzufallen.«
»Warum hörst du dann jetzt auf?«
Ich blicke zu Mom hoch. Sie hat Tränen in den Augen.
»Manchmal müssen andere eine Weile im Rampenlicht stehen.«
»Wie die anderen Models?«
Mom legt den Kopf schräg und lacht. Dann kniet sie sich hin und sieht mir in die Augen. »Neee«, sagt sie neckend. »Du findest ein anderes Model doch nicht etwa so hübsch wie deine Mommy, oder?«
Ich schüttle den Kopf so heftig, dass es wehtut. Mom grinst mich m it ihrem berühmten Lächeln an, das von einem Ohr zum anderen geht und sich auf ihrem ganzen Gesicht ausbreitet. Aber schneller, als ich es kommen sehe, wird aus dem Lächeln ein Weinen, und sie legt den Kopf an meine Schulter. Das erschreckt mich so sehr, dass ich nicht weiß, was ich tun soll. Ich lege noch nicht einmal den Arm um
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