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Voll daneben

Voll daneben

Titel: Voll daneben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. L. Going
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Make-up-Kasten heraus, den mir Mom geschenkt hat. Niemand weiß davon, aber er ist praktisch.
    Wenn man als Mann Make-up auflegt, dann muss man es richtig machen. Gerade genug, um die Gesichtszüge zu unterstreichen – es sei denn, man strebt einen dramatischen Look an, wie zum Beispiel für Modefotos in einer Zeitschrift oder beim Modeln, etwas Avantgardistisches. Oder wenn man Tante Pete ist. Ansonsten braucht keiner zu wissen, dass man Make-up trägt.
    Außerdem hole ich meine Geheimwaffe heraus. Eine kleine Tube Hämorrhoidensalbe. Damit betupfe ich die Stellen unter den Augen, da ich letzte Nacht nicht gut geschlafen habe. Die Salbe zieht die Blutgefäße zusammen und zaubert Ringe unter den Augen weg. Dann zeichne ich einen dünnen Strich mit dem Eyeliner. Eyeliner ist das Beste. Er betont die Augen, und meistens wissen die anderen noch nicht mal, warum. Sie wissen nur, dass sie einen ansehen wollen.
    Als ich schließlich die Anrufe erledigt habe und ins Schaufenster steige, denke ich an Mom. An meine müde, nervöse, zappelige Mutter – aber sobald sie auf den Laufsteg oder vor die Kamera trat, wurde sie zu einer anderen.
    Ich denke an all die Sachen, die sie mir beigebracht hat. Dass man sich eine vertikale Linie vorstellen muss, die sich mitten durch den eigenen Körper zieht. Auf diese Linie muss man sichkonzentrieren, und ganz egal, was man gerade macht, sollte man wissen, wo seine Mitte ist und wie man sie ins Gleichgewicht bekommt. Wenn man sich bewegt, bewegt sich alles mit dieser Linie, sodass kein Körperteil vor einem selbst ankommt. Man darf weder den Rücken krumm machen noch schlurfen. Egal wie man sich fühlt – man muss sich selbstbewusst bewegen. Schultern zurück. Hände frei.
    Es geht auch nicht nur darum, sexy auszusehen. Manchmal geht es darum, zu schockieren, und das ist der Vorteil, den ich heute verbuchen kann. Ohne mich im Geringsten anzustrengen, werde ich die Leute schocken. Keiner wird erwarten, mich im Schaufenster zu sehen. Wenn ich meine Karten richtig ausspiele, werde ich die Leute dazu bringen, auf der Stelle stehen zu bleiben.
    Eddie geht nach draußen, um sich meine Deko anzusehen, und ich kann zwar nicht hören, wie er darauf reagiert, aber ich kann seinen Gesichtsausdruck sehen. Anfangs ist er zerstreut und denkt an hundert verschiedene Details, um die er sich noch kümmern muss. Aber dann sieht er mich und erstarrt. Er guckt mich so fasziniert an, als wären wir uns noch nie begegnet.
    Ich stehe im Fenster und hoffe, dass jemand vorbeikommt. Zuerst sehe ich nicht viele Leute vorbeigehen. Es ist ziemlich ruhig, aber abgesehen von der Sorge, der Tag könnte ein Misserfolg werden, macht mir das nichts aus. Im Schaufenster zu stehen ist dasselbe wie auf dem Picknicktisch zu liegen. Ich schalte einen bestimmten Teil meines Gehirns aus und lasse meine Gedanken schweifen. Natürlich muss ich immer mal wieder eine andere Stellung einnehmen, aber dann kann ich mich entspannen. Es gibt hier keinen Fotografen, für den man posieren müsste. Alles, was ich tun muss, ist, meine Stellung zu halten.
    Es dauert eine halbe Stunde, bevor die ersten richtigen Kunden vorbeikommen. Ich höre sie draußen vor dem Geschäft, aber ichsehe sie nicht an, da ich mich an das Surfbrett lehne und in die Ferne starre. Ich konzentriere mich zwar nicht auf einen bestimmten Punkt, aber die Leute sollen denken, ich würde auf eine ferne Welle blicken. Vielleicht auf die letzte Welle des Sommers.
    »Was hat Eddie denn diesmal vor?«, fragt eine Stimme.
    Zwei Frauen kommen aus dem Friseursalon. Sie nähern sich dem Schaufenster und beugen sich vor, um besser sehen zu können. Dann verschwinden sie, und ich denke schon, sie kommen nicht wieder, doch dann kehren sie mit mehreren anderen Frauen zurück, die Lockenwickler im Haar haben. Die kleine Zuschauermenge zieht drei Männer aus dem Tierfuttergeschäft an, und bald darauf sehe ich Autos, die auf den Parkplatz des Einkaufszentrums einbiegen.
    »Gibt es irgendeinen Ausverkauf, Eddie?«
    »Was für eine verrückte Show zieht ihr da ab?«
    Es dauert nicht lange, bevor die Türglocke alle paar Minuten klingelt. Ich höre durchs Glas viele verschiedene gedämpfte Stimmen. Meistens stelle ich mir tatsächlich Wellen vor. Ich versuche, mich daran zu erinnern, wie es auf Hawaii war. Immer mal wieder höre ich Eddie zu, während er die teuersten der Badeanzüge verkauft.
    »Ich weiß, die Badesaison ist vorbei, aber zu Anfang der nächsten Saison muss ich die

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