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Voll gebissen

Voll gebissen

Titel: Voll gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Mueller
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Amilia hoch 100?
    Hätte ich mir das vorher mal so genau überlegt, wäre ich vielleicht schon früher zu dem Entschluss gekommen, dass unsere Beziehung nie richtig echt war und mir wäre das hier vielleicht alles erspart geblieben. Ich war geblendet gewesen von seinem guten Aussehen, doch auf Äußerlichkeiten konnte man schließlich keine Beziehung aufbauen.
     
    Als dann endlich der Wecker klingelte, hatte ich alles in allem vielleicht eine Stunde geschlafen. Ich stand auf, doch auf Duschen hatte ich keinen Bock. Gemächlich zog ich mich an, wusch mir mein verquollenes Gesicht, putzte die Zähne und machte mich auf den Schulweg. Ich hatte mir weder etwas zu essen eingepackt, noch zu Hause gefrühstückt. Ich hatte einfach keinen Hunger. Und so, wie ich mich im Moment fühlte, würde ich auch nie wieder Hunger haben.
    Teilnahmslos lief ich auf die Laterne zu, an der Liam und ich uns immer trafen, oder – getroffen hatten. Da gestern Abend Vollmond gewesen war, würde Liam heute nicht auf mich warten (falls er jemals wieder dort auf mich warten würde) und er würde wieder viel zu spät kommen, wenn er es überhaupt noch schaffte, vor Unterrichtsbeginn da zu sein.
    I ch für meinen Teil hatte mir jedenfalls fest vorgenommen, nicht auf ihn zu warten.
    Nie mehr!
    Nachdem ich mir die ganze Nacht den Kopf zerbrochen hatte, warum, weshalb, wieso, hatte sich meine ganze Trauer in Wut gewandelt.
    Interessant, wie schnell die 4 Phasen der Trauerbewält igung bei mir voranschritten, über die ich in Moms Ratgebern mal gelesen hatte. Von „nicht wahr haben wollen“, zu „sich die Schuld geben“, über „Wut“ bis hin zu „Gleichgültigkeit“.
    Ich hoffte, dass die letzte Phase nicht allzu lange auf sich warten ließe, doch ich hatte leider auch gelesen, dass die Wutphase sich über Jahre hinziehen konnte, bis endlich die Gleichgültigkeit einsetzte.
    Und wieder liefen mir Tränen über die Wangen, die ich verärgert wegwischte. Hoffentlich fing ich in der Schule nicht an zu heulen. Das wär e absolut entwürdigend.
     
    Ich schlenderte auf den Schulhof. Amilia war bereits dort, erblickte mich und grinste dämlich.
    Ich rempelte an ihr vorbei und stürmte in die Klasse, wo ich mich au f meinen Sitzplatz fallen ließ.
    Erwin begrüßte mich mit einem fragenden „Was ist de nn mit DIR los?“, doch ich antwortete nicht. Ich hatte nicht die geringste Lust dazu, mich mit irgendjemandem zu unterhalten.
    Kurz bevor der Unterricht begann, betrat auch Liam die Klasse. Langsam kam er auf mich zu und wollte sich auf seinen Platz setzen, doch ich stellte demonstrativ meinen Rucksack auf seinen Stuhl und schaute nach vorne zur Tafel.
    „Emma …“, begann er leise und irgendwie hörte er sich verdammt niedergeschlagen an, ganz zu schweigen von seinem zerknirschten Äußeren, doch ich wusste ja, woher das rührte und außerdem änderte das nichts an dem, was ich gestern beobachten musste.
    Ich hatte meinen Ipod mitgenommen und steckte mir die Kopfhörer in die Ohren, um deutlich zu machen, dass ich nicht im Geringsten an seinen Worten interessiert war. Ich hatte keine Lust, mir irgendwelche scheinheiligen Ausreden anzuhören.
    Er stellte sich direkt vor mich, so dass ich ihn ansehen musste und legte seine Hand auf meine, die ich jedoch ruckartig wegzog. Liam schaute mich dermaßen traurig und verletzt an, dass es mir schwerfiel, meine Wut aufrecht zu erhalten.
    Ich schloss die Augen.
    Wenn ich ihn nicht sah, würde das Gefühl, das mich plötzlich zu übermannen drohte, Liam die Sache erklären zu lassen und ihm zu verzeihen, bestimmt vergehen und so war es auch.
    Unschlüssig stand er vor mir, das spürte ich. Doch ich war nicht gewillt, die Tasche wegzunehmen. Sollte er sich doch zu Amilia setzen. Schließlich verbrachten sie doch so gerne Zeit miteinander.
    Ich hatte den Satz noch nicht zu Ende gedacht, da rief Amilia schon herüber: „Liam? Du kannst dich zu mir setzen.“
    Ich blinzelte und Liam sah mich weiter an. Ich hatte das Gefühl, er hoffte, ich würde meine Meinung ändern und den Rucksack wegnehmen, doch ich tat es nicht. Ein kleiner Teil in meinem Inneren versuchte sich gegen meine Entscheidung zu wehren. Wollte meine Hand in Bewegung setzen und die Tasche wegräumen, damit Liam dort sitzen konnte, doch die Wut, die ich empfand, war stärker.
    Unser Lehrer kam in die Klasse und forderte Liam auf, sich hinzusetzen. Noch einmal schaute Liam mich an, doch ich sah weg. Mit hängenden Schultern ging er nach vorne und

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