Voll gebissen
Herzanfall?!
Ich ließ die Tüten fallen und wollte ihr zur Hilfe eilen, da wich sie vor mir zurück, starrte mich aus entsetzt aufgerissenen Augen an und flüsterte ein einziges Wort: „Mondkind“
Verwirrt starrte ich zurück und machte noch einen Schritt in ihre Richtung. Da fing sie lauthals an zu schreien
„Hilfe! Zu Hilfe! So helft mir doch!“
Völlig verdattert schreckte ich zurück und stolperte d abei über die Einkaufstüten. Mit den Armen rudernd suchte ich mein Gleichgewicht, während sie mir die Tür vor der Nase zuknallte. Ich hörte, wie sie den Schlüssel zweimal herumdrehte und danach die Rollläden herunterließ. Völlig entgeistert glotzte ich auf die verschlossene Tür.
Ich konnte es nicht fassen! Hatte Mrs Davis – meine Mrs Davis, meine Ersatzoma – mir da eben tatsächlich die Tür vor der Nase zugeschlagen? Was hatte ich ihr getan? Was hatte ich ihr getan, dass sie allein bei meinem bloßen Anblick so ausrastete und um Hilfe schrie? Und was wollte sie mir mit Mondkind sagen? Was war überhaupt ein Mondkind ? Hatte sie Halluzinationen?
Immer noch völlig perplex sammelte ich die Einkäufe ein, die bei meiner Stolperaktion aus der Tüte gepurzelt waren und stellte diese vor ihrer Haustür ab. Danach machte ich mich auf den Heimweg und beschloss, meinem Dad lieber nichts von diesem merkwürdigen Vorfall zu erzählen . Wusste der Himmel, was er da wieder reininterpretieren würde. Ich würde einfach später mit Liam darüber sprechen.
Ich lag auf dem Bett, starrte gegen meine Zimmerdecke und hörte Radio. Obwohl der Moderator eigentlich über ein interessantes Thema referierte, schaffte ich es nicht zuzuhören, sondern schweifte ständig wieder in Gedanken zu Mrs Davis ab, wie sonderbar sie sich verhalten hatte. Sie schien wirklich Panik vor mir gehabt zu haben und ich wollt gerne wissen, warum. Ich wollte schließlich nicht, dass meine Ersatzomi Angst vor mir hatte.
Endlich kam Liam in mein Zimmer. Ausgerechnet heute hatte mein Dad ihn länger arbeiten lassen, sodass die quäle nden Fragen noch mehr Zeit gehabt hatten, mein Hirn zu zermartern, bevor ich endlich mit Liam darüber sprechen konnte. Er hatte noch nicht ganz die Tür hinter sich geschlossen, da war ich schon aufgesprungen und auf ihn zugelaufen.
Zärtlich nahm er mich in den Arm und versuchte mich zu küssen, doch dafür hatte ich ausnahmsweise mal keine Zeit. Ich schob den verdattert dreinschauenden Liam beiseite und fing sofort an, die Geschichte ohne Punkt und Komma herunterzurattern. Als ich fertig war und wieder Luft holen konnte, stand mein sonst so schlauer Freund nur mit weit aufgerissenen Augen vor mir und glotzte mich an, wie ein Kälbchen, das aus Versehen den Stromzaun berührt hatte.
Da er nichts sagte, beendete ich meine Geschichte noch mal mit einem situationsbestärkenden „Komisch, ne?“
Doch alles, was Liam machte, war lachen. Und zwar in einer Lautstärke, als hätte ich den Witz des Jahrtausends gerissen.
Grimmig , aber auch ein wenig ungläubig, starrte ich ihn an. Hatte ich übertrieben? War so eine Begegnung, wie ich sie hatte, etwa nicht merkwürdig? Immerhin war Mrs Davis mehr als nur eine Kundin bei uns. Sie war sozusagen meine Oma, die mich eigentlich liebevoll begrüßen und mit Naschereien und Milch versorgen und nicht bei meinem bloßen Anblick einen Herzinfarkt kriegen sollte. So schlimm war ich schließlich auch nicht. Außerdem kannte sie mich ja schon seit Ewigkeiten, und wenn ich was an mir hätte, was alte Menschen so aus dem Häuschen bringen würde, wäre ihr das doch sicher schon vorher aufgefallen.
“Was sagst du denn dazu?“, forderte ich Liam auf, endlich mal Stellung zu beziehen.
“Dazu? Ach , Emma ...“, er kam näher und drückte mich an seine Brust.
Ich sträubte mich, weil ich das Gefühl hatte, nicht ernst genommen zu werden, doch er ließ mich nicht los, sondern streichelte mir mit einer Hand wie bei einem kleinen Kind über den Kopf. Verärgert knirschte ich mit den Zähnen, nahm meine ganze Kraft zusammen und versetzte Liam einen Schubs, der ihn ein Stück nach hinten taumeln ließ.
Okay, wenn Liam eben schon blöd aus der Wäsche geguckt hatte, dann konnte ich nun wenigstens mit Genugtuung f eststellen, dass sich sein Ausdruck verschlimmert hatte.
„Hey, was ist denn los?“ Er schien nicht weniger überrascht von mir zu sein, als ich es – zugegeben – selbst war, doch die kleine Emma, die alles für ihren Liam tat, hatte sich verändert. Das
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