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voll im Einsatz

voll im Einsatz

Titel: voll im Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar H. Mueller
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Bentje losflüstern. Nun bin ich ja da.
    Tut sie aber nicht.
    »Was habt ’n ihr eben geredet?«, frage ich, wie man das mal so fragt.
    Bentje guckt mich erstaunt an. »Eben? – Och, Gina hat mir nur was erzählt und ich hab ihr dann auch was gesagt.«
    Klar, denke ich, klar. Was für eine dumme Antwort! Ich will natürlich wissen, WAS Gina erzählt hat. Und eigentlich auch, was Bentje darauf geantwortet hat.
    Bentje sagt aber nichts.
    »Was habt ihr denn in euren Lunchboxen?«, fragt Gina.
    Gina sagt nie Frühstücksbeutel. Sie sagt Lansch-Box. Na gut, Malea sagt das auch und Mama auch manchmal, aber trotzdem finde ich Gina jetzt blöd, weil sie Lansch-Box sagt. Und vielleicht auch, weil ich immer noch nicht weiß, was sie Bentje erzählt hat. Und überhaupt – als ob mich irgendwelche Brottüten interessieren würden!
    Aber dann sind wir schon an unserem Klassenzimmer angekommen. Ich stoppe im Türrahmen und gucke in die Richtung, wo Sinans Platz ist, und – aahhh – er ist schon da.
    Sinan redet mit Malte und Kevin und fuchtelt mit seinen Händen in der Luft rum und dann lacht er. Oh, wie er lacht! Mir wird sofort ganz warm im Bauch.
    Ich gucke mich in der Klasse um. Die großen Fenster zum Schulhof sind geschlossen. Die Tür, in der ich stehe, ist noch auf, aber gleich wird unsere Lehrerin reinkommen und sie hinter sich zumachen. Ich lächele. Nein, hier kann ganz sicher kein fieser Vogel reinkommen und Sinan klauen.
    Bentje neben mir boxt mich ziemlich grob in die Seite. »Kannst du mal aus dem Weg gehen?«
    Ich funkele sie böse an. Was soll das denn jetzt? Kann sie nicht um mich rumgehen? Ich kann hier doch wohl mal einen Moment stehen und mich über Sinan freuen?
    »Du siehst aus wie ein Brathering mit Hirnverdrehung!« Bentje kichert über ihren eigenen Witz.
    Brathering? Hirnverdrehung ? Ich gucke sie noch böser an.
    Da geht Bentje einfach an mir vorbei. Und ich kriege ein ganz komisches Ziehen im Körper. Das fühlt sich überhaupt nicht schön an. Aber Bentje dreht sich nicht mal um. Sie geht schnurstracks zu ihrem Platz und setzt sich hin und quasselt immer weiter mit Gina.
    Jetzt winkt Gina. Aber nicht zu mir. Sondern in Richtung Malte und Kevin und Sinan. Und Sinan guckt hoch und … winkt zurück. Und lächelt Gina und Bentje an.
    Ich stehe immer noch in der Tür. Aber mich hat Sinan überhaupt noch nicht bemerkt.
    Ich fühle mich plötzlich schrecklich allein. Als ob ich gar nicht mehr richtig dazu gehören würde. Bentje tut so, als wäre ich Luft. Und so fühle ich mich auch beinahe.
    Doch dann hole ich tief Atem und marschiere los.
    So muss man das nämlich machen, sagt Rema. Wenn man anfängt, sich ganz scheußlich wabbelig und schwächlich zu fühlen und so, als ob man sich immer mehr auflöst und beinahe wirklich gleich Luft ist, durch die die Leute einfach durchgehen, dann muss man ganz tief Atem holen. Und energisch losmarschieren.
    Und das tue ich.
    Ich komme ganz dicht an Sinan vorbei und kann den wunderbar süßbunten Duft von ihm riechen. Da guckt er wieder hoch und sagt »Hallo Kenny!« und lächelt.
    Und – peng – da weiß ich, dass Rema recht hat. Man darf sich von der blöden Luft nicht auflösen lassen. Man muss einfach drauflosgehen.
    Ich sage »Hallo Sinan!« und lächele zurück. Dann stapfe ich zu meinem Platz neben Bentje und knalle meinen Schulranzen auf den Boden und setze mich und gucke Bentje nicht mit einer Wimpernspitze an. Pah! Soll die sich doch selber mal wie Luft fühlen!

Nicht nur zu Hause bei meiner Familie ist das Leben unberechenbar. Auch anderswo kann es wie ein Blitz aus heiterstem blauen Himmel unfassbar hart zuschlagen. Wenn man Gefahr wittert, droht keine. Aber wenn man sich einfach ahnungslos auf einen Stuhl setzt, knallt das Schicksal plötzlich in den Raum. Ich weiß ehrlich nicht, wieso immer mir so was passiert …

    I ch musste mich echt übergeben. Sobald ich auf dem Klo war, fühlte ich mich noch schwächer. Die Knie knickten mir ein – aber ganz anders, als wenn man aus Liebesgründen Vanillepuddingbeine hat. Und mit einem sehr anderen Gefühl im Bauch.
    Als ich nach dem Kotzen eine lange Weile auf dem kalten Boden gehockt und die bekritzelte Wand angestarrt hatte – »Lena + Marc P.«, »Die Liebe ist ein Gummiboot: sehr schaukelig und manchmal nicht ganz dicht«, »Wanda liebt Lasse!« –, merkte ich, dass ich allmählich schon wieder aufstehen konnte. Aber Lust, zurück in die Klasse zu gehen, hatte ich überhaupt keine. Hatte Daniel

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