Voll Speed: Roman (German Edition)
offensichtlich einer Hochglanzillustrierten entstammt. »Wonach, findest du, sieht das aus?«, will er von mir wissen.
Okay, ich gebe zu: Da kann ich jetzt argumentativ wenig ausrichten. Wenn das keine durchtriebene Schlampe ist, dann weiß ich es auch nicht. Offensichtlicher signalisieren nicht einmal Kaninchen ihre Paarungsbereitschaft: im Vierfüßlerstand, die Vorderbeine aufgestützt, den Vorderkörper nach hinten gebogen, das Hinterteil steil nach oben gestreckt. Einzig die aufgerichteten Ohren fehlen, die nur deshalb nicht zu sehen sind, weil sie von Piroschkas blonden Haaren verdeckt werden, die sich bis zur Taille ranken und ihre Brüste gerade so weit verbergen, dass sie nicht verborgen sind. Die einzigen Kleidungsstücke, die sie trägt, sind zwei hellblaue Angora-Pulswärmer. Und nirgends ein Haar am Körper. Pervers.
»Ich finde, das sieht nach Ärger aus«, gebe ich zur Antwort.
Nacheinander faltet Phil erst Piroschkas Foto, dann drei von den Zeitungsartikeln zusammen und verstaut sie in seiner Sakkotasche.
»Nur so nebenbei: Nennt man das, was du da gerade machst, nicht ›Unterschlagung von Beweismitteln‹?«, frage ich.
Phil antwortet mit einer Gegenfrage: »Warum suchst du dir nicht einen Blumentopf zum Umgraben?«
Er ist noch damit beschäftigt, den letzten Zeitungsartikel zusammenzufalten, als ein dezentes Piepsen ihn innehalten lässt. Phil checkt sein Handy: keine SMS. Das Piepsen ertönt erneut. Verwundert sieht er an sich herunter. Anschließend wandert sein Blick wieder hinauf und bleibt an mir hängen. Über einem seiner traurigen Augen wölbt sich eine Braue.
»Könnte mein Beeper sein«, sage ich entschuldigend und deute zaghaft auf sein Sakko: »In der Außentasche.«
Mein Partner kramt in seinem Sakko herum, fördert den Beeper zutage, wirft ihn mir vor die Füße und sieht mich herausfordernd an. Er weiß, dass ich nicht lesen kann.
»Wenn du jemanden brauchst, um deinen Frust abzuladen«, sage ich, »leg dir einen Hausesel zu.«
Damit entlocke ich Phil beinahe ein Schmunzeln. Er greift sich den Beeper und liest vor: »Sechzehn, Strich, Null, Zwei, Schrägstrich, Nick. R.« Er schnipst den Beeper zu mir herüber.
Ich überlege. Ein »Sechzehn null zwo«. Pfff … Kann ein Meteoriteneinschlag sein, aber auch eine Warze am Ohr. Rufus hat jedes mögliche Ereignis aufgelistet, katalogisiert und mit einer Nummer versehen. Dumm nur, dass sich keiner außer ihm die Nummern merkt.
Phil sieht mich fragend an
»Nick«, seufze ich. »Einer von meinen Brüdern aus dem vierten Wurf.« Und weil ich merke, dass Phil mit dieser Information nichts anfangen kann, füge ich hinzu: »Ist nicht Mas bester Wurf. Kannst du mich am Zoo absetzen?«
»Was willst du sonst machen – dir ’n Taxi nehmen?«
Ich blicke in seine traurigen Augen und lege den Kopf schief: Ich hatte ja gehofft, ihn durch einen neuen Fall ein bisschen auf andere Gedanken zu bringen, aber dass es sich bei der Leiche ausgerechnet um seinen Ex-Partner handelt, hat seiner Stimmung nicht gerade Auftrieb gegeben. Und in Boris’ muffiger Bude zu sitzen deprimiert ihn nur noch mehr.
»Wie gesagt«, entgegne ich, »wenn du jemanden brauchst, um deinen Frust abzuladen …«
»… dann leg ich mir einen Hausesel zu«, beendet Phil meinen Satz. »Ich denk drüber nach.« Er hält mir seine ausgestreckte Hand hin. »Na komm. Für ’n Taxi hast du doch gar nicht genug Geld dabei.«
Kapitel 5
Rufus besitzt eine ganze Reihe ausgeprägter Neigungen: Eine davon ist, Dinge unnötig zu dramatisieren. Schätze, damit versucht er, nicht nur den Dingen, sondern auch sich selbst eine größere Bedeutung zu geben. Jedenfalls lege ich keine besondere Eile an den Tag, als ich zum Flamingogehege schlendere, von wo der Geheimgang in unseren Bau führt. Wird schon nicht so schlimm sein mit Nick, denke ich. Sechzehn-Null-Zwo. Weiß der Geier. Meine Geschwister aus dem vierten Wurf bauen doch ständig irgendeinen Scheiß.
Umso erstaunter bin ich, als mich vor dem großen Versammlungssaal sämtliche Geschwister aus dem vierten und fünften Wurf erwarten. Stehen da, als wollten sie zur Party, und der Türsteher lässt sie nicht rein.
»Was ist denn los?«, frage ich Marcia, die wie üblich ihren Kopf mit Minka und Mitzi zusammensteckt.
»Da bist du ja endlich!«, quietscht sie mir ins Gesicht. »Die warten schon alle auf dich. Kannst du machen, dass ich mit reindarf? Rocky hat alle rausgeschickt und gesagt, wer ohne seine Erlaubnis wieder
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