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Voll Speed: Roman (German Edition)

Voll Speed: Roman (German Edition)

Titel: Voll Speed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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räuspert sich. »Ähm … Entschuldigung …«
    Phil sieht ihn wortlos an. Ich tue dasselbe.
    »Ich störe ungern, aber ich glaube, da kommt jemand«, fährt mein Bruder fort.
    Sofort schalte ich die Lampe aus. Tatsächlich. Entfernt sind Stimmen zu hören. Offenbar zwei Männer. Und so, wie es platscht, scheint einer von ihnen durch das Wasser zu waten. Die Stadtreinigung vermutlich.
    »Rufus?«, flüstere ich.
    »Hm?«
    »Findest du allein zurück?«
    Er will etwas erwidern, hält aber inne. Er spürt es. Am Ende ist Blut doch immer dicker als Wasser. Ich kann meinen Partner jetzt nicht sich selbst überlassen. Ich meine, hey, eigentlich hab ich doch alles, was man sich vom Leben wünschen kann: eine Familie und einen Ort, an dem ich zu Hause bin. Elsa mal außen vorgelassen. Und was hat Phil? Eine Wasserleiche.
    »Alles verstehen heißt alles verzeihen«, nuschelt Rufus.
    Ich hab keine Ahnung, was er mir damit sagen will, aber die Stimmen aus dem Tunnel hinter uns kommen näher, also sage ich zu Phil: »Hey Partner! Warte, ich komme mit.«
    »Moment noch«, hält Rufus mich zurück. Er klappt die Sitzbank hoch und drückt mir den Beeper in die Klaue, den Phil ihm vorhin an den Kopf geworfen hat. »Für alle Fälle.«
    »Rufus, du bist doch schlau«, sage ich, »wann schnallst du endlich, dass du der Einzige im Clan bist, der lesen kann?«
    Mein Bruder rollt mit den Augen heimlich in Phils Richtung: » Der kann.«
    Ich tue Rufus den Gefallen und nehme den Beeper. Anschließend klettere ich auf die Hand, die mein Partner nach mir ausstreckt. Bevor ich meinen angestammten Platz in seiner Sakkotasche einnehme, glaube ich für einen Augenblick, so etwas wie Dankbarkeit in Phils Augen aufflackern zu sehen.
    Rufus legt eine Hand aufs Lenkrad und lässt den Motor aufheulen: »Wir sehen uns.«
    Mit diesen Worten drückt sich das Heck unseres Bootes ins Wasser, und Rufus schießt den Kanal hinab.
    Phil und ich haben uns zu dem Abzweig vorgetastet, der zum Ausstieg führt, als wir hinter uns die Stimme eines der Männer vernehmen: »Du, Stolle, wart’ ma! Hier liegt was … Du: Ick gloob, dit iss’n Mensch.«
    Kurz darauf ertönt die Stimme seines Kollegen: »Jewesen würd’ ick sagen.«
    Unter dem Schacht, der nach oben führt, hält Phil ein letztes Mal inne, dreht sich um, senkt den Kopf: »Mach’s gut, Boris«, flüstert er. Dann setzt er seinen Fuß auf den untersten Eisenbügel.

Kapitel 4
    Bis wir im Auto meines Partners sitzen, bin ich noch kein Stückchen schlauer. Phils finstere Gedanken umkreisen ihn wie ein Schwarm fieser Insekten. Ich warte.
    »Boris«, sagt Phil irgendwann.
    So weit waren wir zwar vorhin schon, aber bitte.
    »Boris Kaufmann«, ergänzt mein Partner.
    Ich sag da jetzt mal nix zu.
    »Boris war mein Partner. Wir hatten ein gemeinsames Büro: Kaufmann & Mahlow …«
    »Du hast noch einen Partner«, sage ich und stelle fest, dass ich etwas eifersüchtig klinge.
    »Hatte. Ist lange her«, überlegt Phil. »Sieben Jahre. Aber wir waren gute Partner. Mehr als nur … Kollegen.«
    Geistesabwesend zieht er seinen Flachmann aus der Innentasche, schraubt ihn auf, nimmt einen Schluck Single Malt und lässt ihn wieder in seinem Sakko verschwinden. Ich könnte schwören, wenn ich ihn jetzt fragen würde, was er gerade gemacht hat, wüsste er es nicht.
    »Und was machen wir jetzt?«, frage ich.
    Phil überlegt einen Moment. Dann lässt er den Wagen an. Plötzlich scheint er es eilig zu haben: »Ist doch klar«, sagt er.
    Ich wage einen Versuch: »Wir sehen uns Boris’ Behausung an, bevor die Polizei es tut?«
    Phil tätschelt mir den Kopf: »Guter Detektiv.«

    Die Wohnung von Boris Kaufmann ist muffig. Das ist das Erste, was mir in meiner professionellen Ausübung als Schnüffler auffällt. Phil sagt, oft sind es die scheinbar unbedeutenden Dinge, die am Ende das fehlende Puzzlestück bilden. Also: muffig. Als Nächstes kommt mir das Wort »nachlässig« in den Sinn. Alles scheint irgendwie rumzuliegen und keinen bestimmten Platz zu haben. Rufus, der unsere unterirdische Asservatenkammer in Reihen mit Buchstaben und Zahlen untergliedert und jedes Fundstück akribisch katalogisiert hat, würde in dieser Wohnung auf der Stelle die Flocken kriegen.
    Ma wird ja nicht müde, uns vorzubeten, dass nicht nur wir unseren Bau bewohnen, sondern unser Bau wiederum uns bewohnt: »Zeige mir deine Kammer, und ich sage dir, wer du bist«, ist einer ihrer Lieblingssprüche. Übertragen auf Boris’ Wohnung

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